Ein König und sein Wesir erhalten von einem Priester („Hodja“ bzw. Hodscha) einen Apfel, damit jeder der beiden eine Apfelhälfte mit seiner Ehefrau teile. In der Folge gebiert die Königin ein Mädchen, die Frau des Wesirs einen Knaben. Gott persönlich bestimmt für das Mädchen den Namen »Arzi«, für den Knaben »Kamber«. Mit 15 Jahren verlieben sich die beiden ineinander, werden aber durch den Höfling Karaçor verraten. Eine zwischen ihnen errichtete Mauer überwinden sie. Darauf wird Kamber in einer Truhe ins Meer geworfen, jedoch von einer jungen Frau geborgen. Kamber hält Arzi die Treue und kehrt heimlich zu ihr zurück. An ihrem langen Haar erklettert er ihr Gemach, wird trotz Tarnung in Frauenkleidern entlarvt und verbannt. Wieder kehrt er zurück, wird entdeckt und getötet. Daraufhin erkrankt Arzi schwer. Aus einem Stück Fleisch von Kambers Leiche wird für sie Suppe gekocht. Sie erkennt den Inhalt und lässt sich zu Kambers Grab führen. Dort tötet sie sich selbst mit einem unter ihrem Haar versteckten Messer. Karaçor begeht ebenfalls Selbstmord, drängt sich aber noch zwischen die beiden Leichen. Aus diesen wächst je eine Blume, aus dem Verräter zwischen ihnen jedoch ein Dornbusch.
Arzi taj Kamber
Credits
Rights held by: Ilfan Buzeski (work/reading) — Mozes F. Heinschink (recording) | Licensed by: Ilfan Buzeski (work/reading) — Phonogrammarchiv – Austrian Academy of Sciences | Licensed under: Rights of Use | Provided by: Phonogrammarchiv – Austrian Academy of Sciences (Vienna/Austria) | Archived under: B 37245
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Synopsis
Kontextualisierung
Das Märchen »Arzi taj Kamber« (›Arzi und Kamber‹) geht auf eine der bekanntesten und am weitesten verbreiteten Liebesgeschichten der türkisch-aserbaidschanischen Volkserzählungen, im Originaltitel »Arzu ile Kamber«, zurück. Im Unterschied zu Heldenmärchen stehen in diesem Typus ein Liebender und die erfolgreiche oder vergebliche Erringung der Geliebten im Vordergrund. Charakteristisch ist die außergewöhnliche Geburt der Protagonist_innen, wie sie in Ilfan Buzeskis Version exemplarisch dargestellt ist: Das Väterpaar König-Wesir, Empfängnis durch Essen einer Apfelhälfte und die Namensgebung für das Kinderpaar durch Gott bilden ein fast standardisiertes Einleitungsmodul für diesen Märchentyp. Wie in der bekannten »westlichen« Liebestragödie von Romeo und Julia endet die Originalgeschichte von Arzu und Kamber in einer Katastrophe, wobei der Jüngling getötet wird und das Mädchen sich an seinem Totenbett selbst das Leben nimmt.
Märchen dieses Typs mit ihrem Zentralthema der Sehnsucht und Liebe werden gemäß der türkischen Volkstradition als Mischform von Prosa und eingestreuten kurzen Liedern (oder Sprüchen) präsentiert, die von den Vortragenden ursprünglich zur Lautenbegleitung gesungen wurden. In den Versionen, wie sie von Rom_nja erzählt werden, ist die Form der Lyrik meist unveränderlich. In der vorliegenden Fassung von Ilfan Buzeski wird sie wie in den meisten Märchenversionen türkisch vorgetragen. Von Arlije aus Mazedonien und Kosovo werden diese beliebten gesungenen Verszeilen als bejti (von türkisch beyit – Doppelvers) bezeichnet. Für gesungene Verszeilen in Märchen gibt es auch ein Beispiel von einem ungarischen Rom (»Šofolica«).
Die Prosaerzählung kann stark variieren und oft zu langen Erzählungen ausgestaltet werden. Eine »Urfassung« des Märchens von Arzu und Kamber lässt sich aufgrund der vielen Varianten kaum rekonstruieren. Die hier präsentierte Variante »Arzi taj Kamber« ist eine linear erzählte, kompakte Fassung der Erzählung mit individuell ausgestalteten Details – wie die Tarnung des Jünglings in Mädchenkleidern, das Verbergen des Messers für den Selbstmord unter dem langen Haar des Mädchens oder die Grausamkeit, Arzi das Fleisch des toten Geliebten vorzusetzen. Hier zeigt der Erzähler individuelle Gestaltungskraft.
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Details
- Ilfan Buzeski (Performer_in)