»Frei von exotisierenden Klischees erzählt dieser Film die wahre Geschichte des Flamenco.«
Ivana Todorovic
Synopse
»Camelamos naquerar« (Wir wollen Sprechen) ist eine Adaption des gleichnamigen Theaterstücks, das in Zusammenarbeit zweier Roma – dem Dichter und Hochschullehrer José Heredia Maya sowie dem Flamencotänzer und Choreographen Mario Maya – entstanden ist. Letzterer tritt zusammen mit anderen Künstler_innen selbst im Stück auf. Dieses Projekt verbindet auf höchst experimentelle Weise Lyrik, Musik und Tanz und scheint die einzige Art und Weise zu sein, in der diese revolutionäre Selbstdarstellung gelingen kann. Der Filmtitel ist auf Caló, der Sprache der spanischen Gitanos, und bedeutet so viel wie »wir wollen sprechen«. Eine revolutionäre Botschaft, die von den Anstrengungen der Gitanos zeugt, für sich einen Platz in der spanischen Geschichte zu behaupten, und von der institutionalisierten Ungerechtigkeit, unter der die Community leidet. Er schlägt den Bogen von den »Pragmatiken«, die von katholischen König_innen Ende des 15. Jahrhunderts erlassen wurden und mit denen die lange Geschichte der Verfolgung von Roma begann, bis zu Gesetzgebungen des Franco-Regimes im 20. Jahrhundert.
Der Film erschien 1976 – ein Jahr nach Franciso Francos Tod und dem Ende der Jahrzehnte andauernden Diktatur – und war so eine der ersten wichtigen Rehabilitationen der spanischen Roma-Community und setzte einen Meilenstein für die Emanzipationsbewegung der Sinti und Roma. Der Soziologe, Dokumentarfilmer und Sohn von José Heredia Maya, Pepe Heredia, fasst die Bedeutung so zusammen: »›Camelamos naquerar‹ war ein Theaterstück, das zu einem politischen Werkzeug einer Community im Kampf für ihre Menschenwürde wurde.«
Entfernt davon, folkloristische Darbietungen zu repräsentieren, die in der Zeit sehr populär waren, schafft »Camelamos naquerar« ein experimentelles Werk, das Text (die Wiedergabe von gegen Roma gerichteten Gesetzen) und Flamencoszenen, die als Antwort auf die Gesetze zu verstehen sind, sowie dokumentarische Vignetten aus dem alltäglichen Roma-Leben einander gegenüberstellt. Historisches Filmmaterial beweist, wie wenig sich die diskriminierenden Praktiken gegen die Community im Laufe der Jahrhunderte verändert haben. Dass Heredia Mayas Gedichte rezitiert oder gesungen werden, während der Tanz die Inhalte transportiert, betont, wie wichtig es ist, dass Sinti und Roma für sich selbst sprechen. Sowohl der Cantaor (Flamenco-Sänger) als auch die Tänzer_innen schaffen ohne jegliche Mediation eine sehr starke Erzählung. Oralität und Unmittelbarkeit dieser Praktiken stehen in starkem Kontrast zu den geschriebenen Textfragmenten des römischen Rechts, die auf der Leinwand als unpersönliche Nachricht erscheinen, während die Tänzer_innen und Schauspieler_innen für die Möglichkeit von Veränderung stehen. Die Kinematographie unterstützt diese Botschaft. Die Kamera ist nah am Motiv positioniert, wodurch Nähe und Einfühlungsvermögen im Publikum hergestellt werden.
Sowohl das Stück als auch der Film »Camelamos naquerar« sind ein wichtiger Bezugspunkt in den sozialen Bewegungen der spanischen Roma-Community.