Heil Hitler
am 12. Mai 1938
An die
Reichsregierung.
Nach der Bekanntmachung über den Einzug des Führers in Österreich und die Befreiung durch die N.S.D.A.P freuten wir uns sehr und wir danken dem Führer recht herzlich, dass wir bald Arbeit bekommen werden und so überleben können. Uns ist es bis heute sehr, sehr schlecht gegangen, jetzt aber haben wir ein neues Leid vor uns, das uns in neuster Zeit hinzugefügt wurde.
Der Beginn dieses neuen Leides reicht weit in die Vergangenheit zurück und wurde voriges Jahr gegen uns in Bewegung gesetzt; angeführt von Dr. Tobias Portschy, dem neuen Landeshauptmann des Burgenlandes. Die Betroffenen sind wir Zigeuner*, das ärmste Volk des Landes. Gegen uns wird folgenderweise vorgegangen: sämtliche bürgerlichen Rechte und Ansprüche auf Unterstützungen oder bei Rechtswegen wurden uns vollständig entzogen. So habe ich aus der Grenzmark Zeitung, die Dr. Portschy herausgibt, gelesen, dass wir nicht wahlberechtigt seien und dass wir nicht in die N.S.D.A.P. eintreten dürfen; das Grüßen mit Heil Hitler und das Tragen von Hakenkreuzen sei uns auch nicht erlaubt.
Wir haben auch weder von der Volkswohlfahrt oder Winterhilfe, noch von der Gemeinde eine Unterstützung bekommen. Sie sagen, Zigeuner* bekommen nichts und es wird geredet, wir kommen auf eine Überseeinsel und werden unfruchtbar gemacht. Dasselbe habe ich auch in der Dr. Portschy-Zeitung gelesen. Wir armen Zigeuner* müssen nur vom Betteln leben. Wir waren beim Arbeitsamt und wollten haben uns melden, da sagte der Leiter des Amtes, zuerst kommen die Arbeiter und Kleinbauern in Frage und dann wir.
Als ob der Führer für uns nicht gesorgt hätte; und so als ob wir der N.S.D.A.P. gegenüber feindlich eingestellt wären oder wir sie gefährdet hätten. Wir sind römisch-katholisch und arischer Abstammung von je her gewesen. So habe ich mich gezwungen gesehen, für uns alle bei der hohen Reichsregierung Beschwerde zu erstatten.
Niemand hat Dr. Portschy das Recht gegeben, eine zwangsweise Hungersnot auszulösen. Und wer uns den Namen Zigeuner* gegeben hat und woher dieser Name gekommen ist, weiß ich wirklich nicht; und wir können auch nichts dafür. Wegen des spöttischen Namens sind wir so verhasst. Aber deswegen können wir uns weder erwürgen noch in ein anders Land ziehen. Der Arbeiter wird leben und wer nicht arbeitet, soll streng bestraft werden.
Jedenfalls wollen wir arbeiten und wollen Rechte auch auf Unterstützung. Freie Arbeiter wollen wir sein, und auch N.S.D.A.P.-Genossen sein und unsere Pflicht genau so tun, wie andere. Kurz nach der Volksabstimmung kamen einige Bauern aus unserem Dorf zu uns und bedrohten hauptsächlich mich und sagten, heute ist es nicht mehr so wie früher, heute kann ich nicht mehr Gesuche schreiben an die Regierung. Und der eine sagte, wenn er mich unter vier Augen erwischt, dann schlägt er mir die Augen heraus. Ich bin so bedroht, dass ich mich kaum unter diese Leute zu gehen getraue, um wirklich Ansprüche zu stellen. Sie wollen uns überhaupt nichts geben, die Volkswohlfahrt ist sicher auch für uns gekommen. Bei uns sind drei alte Männer mit Familien, jeder über sechzig Jahre und auch sie bekommen nichts; auch die jungen gar nichts, auch keine Arbeit. Nun was soll man tun.
Und so ist das im Burgenland überall, wo Zigeuner* sind. Sogar die Schulkinder mussten zuhause bleiben und können die Schule nicht besuchen. Wenn wir etwas von einer Unterstützung sagen, dann sagen sie, für uns ist nichts da. Und sie sagen, wir gehen ohnehin betteln und können davon leben. Die von Asien eingewanderten Madjaren und Kroaten, die beide asiatischer Abstammung sind von denen das Burgenland nicht bewohnt ist dürfen wohl in der N.S.D.A.P. sein. Sie sind mit Juden und Zigeunern* oft vermischt und nennen sich nur Deutsch. Oft kommt man in ein Dorf, wo man überhaupt nichts Deutsches hört, entweder Madjarisch oder Kroatisch. Diese Deutschen hassen uns und verspotten uns ohne Ende und verführen uns zu Zwang und Gewalt. Sie graben uns das Grab sehr tief, so dass nichts von uns sichtbar ist.
Viele Männer von uns Zigeunern* waren im Weltkrieg und kämpften fürs Vaterland so gut wie andere, doch das hat Dr. Portschy nicht gewürdigt. Er spricht und schreibt, man solle den Zigeunern* nichts geben, keine Arbeit, und solle auch keine sonstigen Ansprüche zulassen. Daher habe ich mich kurz entschlossen, die hohe Reichsregierung anzurufen. Wir bitten sich rasch Mühe zu geben, weil wir kein Fortkommen haben, und es uns zu ermöglichen, dass wir eine Arbeit bekommen und auch das Recht auf Ansprüche und Unterstützungen erhalten. Wir sind Zigeuner* in unserm Heimatort Redlschlag, Bez. Oberwarth, Burgenland. Vier Familien mit Kindern und drei alte Männer mit über sechzig Jahren, die nicht mehr arbeiten können, sowie vier junge Männer, die keine Arbeit haben und denen sie keine Arbeit geben wollen. Ingesamt sind wir dreiundzwanzig Personen ohne Arbeit und Unterstützung, leben bloß nur vom Betteln. Wir werden vom Arbeitsamt und von der Fürsorge abgewiesen. Es sollten diese beiden Ämter beauftragt werden, dass wir Arbeit und Unterstützung bekommen. Wir haben auch keine Kontrollkarten bekommen, was andere wohl bekommen haben, sie haben 25 Schilling und Lebensmittelpakete bekommen, aber wir haben nicht einmal was davon gesehen. Wir besitzen nichts, wir wohnen auf Gemeindegrund; wenn wir nicht betteln dürfen, wenn das nicht wäre, dann könnten wir sogar verhungern, aber das war unsere Stütze bis heute.
Am Gemeindebrunnen nächst unserer Wohnungen waschen die Ortsleute ihre Wäsche und dieses Wasser müssen wir trinken und Essen. Weil das sehr ungesund ist und das Wasser vom Aasplatz des Ortes zu diesem Brunnen fließt, waren mein Vater und unsere Kinder krank. Da ersuchte mein Vater den Herrn Bürgermeister um eine Anweisung zum Arzt und um Medikamente. Der verweigerte es und wir mussten zu Hausmitteln greifen. Er sagte zu anderen Leuten, wir können alle verrecken, er gibt uns keine Anweisung. Auch unsere Wohnungen sind sehr ungesund, weil sie bloß aus nassen Steinen gebaut und schlecht erhalten sind. Eine nötige Bauhilfe ist zu sichern.
Gegen uns ist auch die Polizei aufgerufen worden in der Art, dass man in Reden und Worten nicht so behandelt wird, wie es erlassen ist. Man wird oft grob behandelt, weil die Leute aufgehetzt werden. Dr. Portschy hat uns sämtliche unserer bürgerlichen Rechte entzogen, ohne dass er dafür irgendeine Grundlage hätte. Dr. Portschy will sich mit dieser Hetze eine goldene Uhr verdienen, obwohl das alles in Wirklichkeit nur ein Märchen ist. Mit dieser Hetze wird man nur verdächtig gemacht. Unter uns ist eine sehr große Empörung und Unzufriedenheit erstanden, weil man überall hört, euch werden die Haare geschnitten und ihr kommt nach Abessinien und werdet dort Bauern. Und wilde Tiere zerfressen euch. Das hört man auch in den höheren Ämtern und man wird überall mit diesen Dummheiten abgewiesen. Danach lachen sie fest! Hilfe bekommt man nicht.
Wir bitten die hohe Reichsregierung, unser Ansuchen zu erhören und sich Mühe zu geben und uns aus Not und Elend heraus zu helfen. Wir alle werden sehr dankbar sein dafür. Die dreiundzwanzig Personen sind die Arbeitsfähigen und Unfähigen.
die Alten
Franz Horvath 63 Jahre alt
Matias Horvath 61 Jahre alt
Johann Pratscher 64 Jahre alt
die Jungen
Franz Horvath 26 Jahre alt
Johann Horvath 26 Jahre alt
Johann Horvath 26 Jahre alt
Gustav Horvath 20 Jahre alt
Die anderen sind Frauen und Kinder und alle sind in Redlschlag, Bezirk Oberwarth, Burgenland zuständig und wohnhaft.
Es bitten dankend Franz Horwath, Vater und Sohn, und auch alle andern.
Heil unserem Führer
Heil Hitler