Mord an einem Jugendlichen
Karl Siimann wurde am 1. Juni 1942 im Alter von 14 Jahren von der Präfektur des Landkreises Järva in seiner Heimatstadt Tapa verhaftet und ins Gefängnis nach Paide gebracht, wo er verhört wurde. Auch wenn es sich bei diesem Protokoll um ein unfreiwillig abgelegtes Zeugnis unter Haftbedingungen handelt und es daher nur begrenzte Aussagekraft besitzt, ist es doch eines der sehr wenigen aus Estland überlieferten Zeugnisse eines Rom und außerdem das letzte Lebenszeichen eines Jugendlichen, der die NS-Verfolgung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht überlebt hat.
Obschon Karl Siimann in seiner Aussage konkrete Angaben zu seiner Beschäftigung machen konnte, behaupteten der Bürgermeister von Tapa, Jaan Adel, die Polizeiassistentin Karla Tihemets sowie Lembit Palundi aus Tapa, er sei »arbeitsscheu«, belästige andere Einwohner_innen und treibe sich umher. Noch am Tag der Vernehmung ordnete daher Johannes Randrüüt, Präfekt der Landkreises Järva, die Inhaftierung von Karl Siimann bis zu dessen Übergabe an den SD-Kommandanten an. Zwei Tage später folgte die Anordnung, ihn in das Konzentrationslager Harku einzuweisen.
Der Fall von Karl Siimann steht offensichtlich im Zusammenhang mit einer größer angelegten Verhaftungsaktion von Roma in Tapa, wo mit ihm zusammen mindestens zwölf weitere Roma verhaftet wurden. Seine Verhaftung wurde zum einen mit einem Erlass des Kommandanten aus Paide vom 1. Dezember 1941, zum anderen mit einem Erlass der Abteilung Dorpat des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes vom 14. Februar 1942 begründet. Karl Siimann ist aller Wahrscheinlichkeit nach in Harku der am 27. Oktober 1942 erfolgten Erschießung von 243 Roma zum Opfer gefallen.