»Ich liebe diesen Film – ein realistisches, künstlerisches Meisterwerk!«
Vera Lackova
Synopse
» Epizoda u zivotu beraca zeljeza« oder »An Episode in the Life of an Iron Picker« (Aus dem Leben eines Schrottsammlers) ist ein Spielfilm Bosnien-Herzegowina aus dem Jahr 2013, unter der Regie von Danis Tanović. Nach seinen international gelobten Dramen, unter anderem »No Man’s Land« (Frankreich, Bosnien-Herzegowina, Italien, u.a., 2001), mit dem der blutige Konflikt kurz nach dem Balkankrieg tabulos auf die Leinwand geholt wurde, kehrte Tanović zum Thema der Traumatisierung zurück – diesmal jedoch aus einer anderen Sicht. Bei der Produktion von »An Episode …« investierte er viel Zeit und Energie, um den Kampf der Roma-Communities in Bosnien-Herzegowina zu verstehen und darzustellen. Die muslimischen Roma-Charaktere sprechen einen originalen Roma-Dialekt und verkörpern eine spezielle ethnische und religiöse Kultur innerhalb der Balkanregion der Nachkriegszeit, obwohl sich der Film eigentlich auf einen einzigen Aspekt ihres sozialen Status konzentriert, nämlich ihre Situation im Gesundheitssystem. Der Film ist die Inszenierung der eigenen Geschichten der Laiendarsteller_innen; deren alltäglichen Erfahrungen von Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen im zentralen Thema von »An Episode …« gespiegelt werden.
Der gesamte Film kommt ohne Hintergrundmusik aus, stattdessen hört man nur die ungefilterten Alltagsgeräusche. Auf diese Art und mit Hilfe der künstlerischen und komplexen visuellen Stimmung wird es möglich, die dramatische Kraft der Situation zu erfahren, während man das unverhüllte Leben von Nazif, seiner Frau Senada und ihren beiden Töchtern in einem kleinen Dorf in Bosnien-Herzegowina betrachtet. Nazif verdient den Lebensunterhalt für seine Familie damit, Eisen und andere Metallabfälle zu sammeln, sie zum örtlichen Schrotthändler zu transportieren und das Material dort zu Geld zu machen. Das normale Leben im Dorf ändert sich, als das ungeborene Kind von Nazifs schwangerer Frau stirbt, der tote Fötus aber noch im Mutterleib ist. Da Senada keine Krankenversicherung hat, wird ihr die nötige Behandlung verweigert – es sei denn, die Familie bezahlt 980 Bosnische Mark (500 Euro). Nazif ist gezwungen, eine andere Lösung zu finden, während sich der körperliche Zustand von Senada rapide verschlechtert.
Die Zuschauer_innen fühlen die Schwere dieser traumatischen Entscheidung und können sich dadurch in die Protagonist_innen in ihrem täglichen dramatischen Kampf ums Überleben hineinversetzen. Der postsozialistische Staat mit seinem Gesundheitssystem, das Behandlungen für Menschen verweigert, die sich in ihrer verzweifelten wirtschaftlichen Lage keine Krankenversicherung leisten können, ist der Antagonist. Aus diesem Grunde kann »An Episode …« als Drama bewertet werden. Da Tanović eine objektive, aber solidarische Sichtweise anbieten will, folgt die Kamera den Protagonist_innen, der Familie und der weiteren Gemeinschaft im Stillen.
Neben anderen Auszeichnungen gewann »An Episode …« den Jury Grand Prix bei den 63. Internationalen Filmfestspielen Berlin. Nazif Mujić gewann auf dem gleichen Festival den Silbernen Bären als Bester Schauspieler.
Rezeption
66 Kritiken, siehe: http://www.imdb.com/title/tt2507592/externalreviews?ref_=tt_ov_rt
Möller, Olaf: Film Comment, New York, vol. 49, no. 3 (May/Jun 2013), pp. 60–63
Murtic, Dino: Post-Yugoslav Cinema: Towards a Cosmopolitan Imagining, Springer, 2015
Zajec, Špela: ‘Esma’s Secret, No Man’s Land and consumption patterns in war-torn territories’, Studies in Eastern European Cinema, vol. 4, no. 2 (2013), pp. 199–214