»Eine hohe Relevanz aus der Perspektive der Roma-Literatur und -Sprache, die die mündliche Überlieferung transformiert.«
Mihai Catalin Cazacu
Synopse
»Flames of God« ist ein Porträt des Roma-Dichters und -Musikers Muzafer Bislim, dessen Zuhause zu einer privaten Einrichtung geworden ist, die sich den Aufzeichnungen der mazedonischen Roma-Kultur widmet. Weil die mazedonischen Roma einer Minorität angehören, hauptsächlich aufgrund ihrer ausgeprägten Kultur der mündlichen Überlieferung, gab es von offizieller Seite keine Versuche, ihre Kultur zu bewahren.
Der Regisseur dieses Dokumentarfilms von 2011 ist Meshakai Wolf. »Flames of God« ist in mehrere Kapitel unterteilt, die Bislims künstlerische und literarische Arbeit ausführlich darstellen und sich dabei auch seinem religiösen Leben widmen. Darüber hinaus beschreibt der Film seine Kunst in Verbindung mit Gott und ihn selbst als liebenswerten Charakter. Bislim kann auf eine erfolgreiche Karriere im ehemaligen Jugoslawien als Interpret türkischer Lieder und später als Komponist von Liedern auf Romanes zurückblicken. Man sieht ihn jetzt, wie er, als alter Mann, Texte für jüngere Roma-Musiker_innen schreibt, wie er an seinem Romanes-Serbisch-Kroatisch-Mazedonischen Wörterbuch arbeitet und wie er zu einem Lyrikfestival – der Biennale Internationale des Poètes en Val-de-Marne – nach Frankreich reist.
Muzafer Bislims Zuhause in Shutka, Mazedonien, dient als Archiv für das Lexikon wie auch für seine Lieder, die in vielen handgeschrieben Notizbücher und auf Kassetten darauf warten, veröffentlicht und interpretiert zu werden. Der Film enthält eine Fülle wissenschaftlicher sowie linguistischer und soziologischer Fakten, etwa zur Geschichte der Roma, zum offiziellen Status von Romanes in Mazedonien und zu den Anstrengungen, die Sprache zu standardisieren. Darüber hinaus veranschaulicht er die gegenwärtige Lage der Roma sowie ihre Situation in einem Nachkriegsbalkanstaat und beschreibt Migrationsbewegungen nach Frankreich, die den miserablen ökonomischen Verhältnissen geschuldet sind.
Eine der dramatischsten Momente im Film ist eine Szene, in der sich Bislim in Frankreich mit alten Freunden über die sozialen Probleme im heutigen Mazedonien und konkret über die Probleme der Roma unterhält. In einer weiteren intensiven Szene steht Bislims Lyrik im Zentrum einer Diskussion innerhalb eines Übersetzungsseminars mit Experten wie dem Übersetzer Pierre Chopinaud und dem Romaniphilologen Marcell Courthiade. Bislim berichtet auch von seinen Bemühungen, sein Lexikon zu veröffentlichen oder zumindest in Mazedonien anerkennen zu lassen – was ihm letztlich aufgrund seines amateurwissenschaftlichen Status als Linguist verweigert wird.
Bislim bewegt sich als begabter Lyriker und als Wissenschaftler – der sich unermüdlich dafür einsetzt, die langsam in Vergessenheit geratenden, mündlichen linguistischen Traditionen zu bewahren – aber er arbeitet nicht nur an der Grenze zwischen Kunst und Wissenschaft, sondern auch am Rande von Gesellschaft und Kultur. Warum das so ist, ist eine der interessantesten und drängendsten Fragen, die der Film aufwirft. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich, wo seine Arbeit in Seminaren, auf Lesungen und in Tonstudios begeistert aufgenommen wurde und er große Publikumserfolge feiern konnte, sehen wir ihn wieder in Mazedonien seinen alltäglichen Beschäftigungen nachgehen. Indem er seine Reise nach Frankreich zeigt, erreicht die authentische und affirmative Handlung des Dokumentarfilms ihren Höhepunkt.
Meshakai Wolf passt seine Filmästhetik seinem Gegenstand an, indem er viel Zeit mit Bislim verbringt, sein Leben auf intime Weise verfolgt und ihn seine eigene Geschichte in Romanes erzählen lässt, so wie er sie wahrnimmt und erfährt. Der Film erreicht sowohl in konzeptueller wie in ästhetischer Hinsicht ein hohes Niveau. Aufnahmen aus Bislims alltäglichem Leben im klassischen Dokumentarfilmstil wechseln sich ab mit Einstellungen, die die Textur der handgeschriebenen Notizen wiedergeben, und mit Talking-Head-Sequenzen, in denen Bislim vor schwarzem Hintergrund platziert ist und so symbolisch aus seiner alltäglichen Umgebung in eine artifizielle Bühnensituation gehoben wird.
»Flames of God« wurde im Kosovo als bester Film des Rolling Film Festivals ausgezeichnet und gehörte zur Filmauswahl am Abschlussabend des Margaret Mead Film Festival im Museum of Natural History in New York City.