Kunst bietet die Möglichkeit, neue Umgangsweisen mit verhärteten Grenzlinien zu erproben. Die Verlagerung eines sozialen oder politischen Problems – in diesem Fall der Diskriminierung und Marginalisierung von Roma, Sinti und Jenischen in den europäischen Gesellschaften – in den Raum der Kunst öffnet den Weg zu neuen Perspektiven und Analysen.
Veraltete Sichtweisen werden als solche offenbar, und Grenzen verschwimmen. Im Prinzip lässt sich jedes Problem oder jede Situation als Modell oder schlicht als Untersuchungsgegenstand in das Feld der Kunst übertragen. Die Methoden des künstlerischen Umgangs erwachsen aus dem Wunsch, neue Perspektiven zu gewinnen.
Ein künstlerisches Labor zur Erkenntniserzeugung ist eine legitime Entwicklung, wobei der Ausstellungsraum zugleich zur Produktionsstätte wird und den Supermarkt verdrängt. Institutionelle Arbeit in diesem Bereich würde idealerweise solche Kräfte fördern, die einen Schutzraum gegen diskriminierende Strukturen sicherstellen.
Museen (Beispiele finden sich unter anderem in Schottland, Kanada und Chile) sollten nicht ausschließlich als Orte der unwiederbringlichen Vergangenheit und der schmerzlichen Verluste aufgefasst werden, sondern als Schauplätze des gegenwärtigen Wissens und der Konzentrierung der lebendigen Kräfte und Unterstützer_innen des Widerstands.
Dies hätte eine echte Bedeutung für das heutige Leben bedrohter Bevölkerungen …
(Auszug aus der Arbeit »GLAM Intervention« von Mo Diener).
GLAM Intervention war die Roma-Dada-avantgardistische Besetzung eines weißen Würfels. Das Corner College als Off-Galerie hatte uns eingeladen, unsere Arbeit als Kollektiv vorzustellen. Da uns der diskursive Kunstraum eine Carte Blanche bot, beschloss ich ihn mit dem Kollektiv zu kapern.
Wir hatten großen Spaß daran, den weißen Würfel mit Schablonenbildern von
Pablo Picasso, Toni Gatlif, Ava Gardner und anderen zu taggen, während aus dem Autoradio urbaner Lärm erklang. Als dadaistische Besetzer trugen wir bunt verzierte Masken.
Auf die Intervention folgte eine Podiumsdiskussion, moderiert von Stefan Wagner, Kurator beim Corner College. Dazu luden wir den Soziologen und Aktivisten Heinz Nigg, Angela Mattli von der Gesellschaft für bedrohte Völker in Bern und Katharina Morawek, Kuratorin an der Shedhalle Zürich, ein.
Zu Eröffnung des Podiums verlas ich meine Gedanken zu Frantz Fanons »Die Verdammten dieser Erde«: Was treiben die Verdammten dieser Erde im Diskursraum der Kunst – was bedeutet ihre Anwesenheit, wenn nicht eine permanente Revolte gegen den westlichen Kanon der Sprache und Wahrnehmung von Kunst?