Rechtsanwalt
Marie Neumann,
..esterwallstr. 35
Narwa.
Stempel: Der Generalkommissar
in Reval
handschriftlich: 16 Paraphe
unleserlich – 7. XI. 42
Tgb.-Nr.: ………………….
Abt.: ………………………
handschriftlich: Pol. Adj. [Polizeiadjutant]
L o n n y I n d u s, wohnh. Narwa, Heigemajastr. 1–2.
Betr[ifft]: Filipp I n d u s.
An den
Herrn Generalkommissar in Reval.
G e s u c h.
Ich bin eine Zigeunerin 31. Jahre alt. Habe 6 Kinder: von 14–1 Jahr. Muss die alle allein ernähren, was mir zu schwer ist. Mein Mann, Filipp Indus (Willem Indus), wurde im Dezember 1941 verhaftet und [ist] bis jetzt im Gefängnis, in Narwa. Weshalb oder wie lange er sitzen muss, weiß ich nicht.
Ich arbeite selbst [bei] Straßenarbeiten jeden Tag über 10 Stunden. Die Kinder [müssen] allein zu Hause bleiben. Dafür bekomme ich [ein] Gehalt von 40.- R[eichsmark] monatlich. [Das] ist alles. – Es kommt der Winter, ich habe kein Holz, keine warme Bekleidung[,] weder für die Kinder noch für mich selbst. Alle sind wir schwach wegen Unterernährung, denn mit meinem kleinen Gehalt kann ich nicht genügend für die s e c h s Kinder sorgen. Es kommt noch größerer Kummer und Leid, als bisher.
Mein Mann ist auch ein Zigeuner. Er arbeitete aber immer, schon [seit] vielen Jahren, er ist 56 Jahre alt und hat für seine Familie gut gese- gesorgt. Er hat [unter] den Bolschewisten [kein] Interesse für die Politik oder sonst was gehabt, hat nirgends [teil]genommen ich habe keine Ahnung, warum er in der Haft sein soll.
Wegen meiner schweren Lage, wegen meine[r] vielen armen [Kinder], die so viel unter Armut und Not leiden, die beinah immer hungrig und [nackt] sind,
b i t t e ich:
sehen Sie die Sache meines Mannes, Filip (Villem-Vilep) Indus, noch einmal durch und befreien Sie ihn aus der Haft, dass er wieder zu [seiner] Familie kommen kann und den Kindern helfen kann.
Beilage: die Bescheinigung von der Polizei.
Narwa, [den] 2. [November] 1942.
Für die analphabete Lonny Indus
Unterschrift M. Neumann