Wir trafen Aneliya Dudinova an einem strahlenden Herbstnachmittag im Anna Café in Lesnovo, Provinz Sofia, Bulgarien. Aneliyas Familie kommt aus Lesnovo – »schon seit Ewigkeiten, bis in die Generation meiner Urgroßeltern«. Annas Tochter Anna Cristina ist die einzige Romni in ihrer Stufe an der Sekundarschule in Gorna Malina. Anna hat für ihre Tochter die Möglichkeit sichergestellt, an integrierten Schulen eine wettbewerbsfähige Bildung zu erhalten, die sie auf die Universität vorbereitet.
Seit sich Aneliya von ihrem Mann getrennt hat, musste sie Opfer bringen, um ihrer Tochter auch Extra-Kurse wie Sport zu ermöglichen. Sie finanziert auch einen Fahrdienst, der Anna Christina täglich sicher zur Schule bringt und wieder abholt. Aneliyas Eltern, die beide zur Sekundarschule gegangen sind, unterstützen ihre Mühen und helfen finanziell, wo sie können. Anna Christina möchte irgendwann einen Master-Abschluss erreichen und die ganze Familie hat zugestimmt, dieses Ziel in einem Fach ihrer Wahl zu unterstützen.
Aneliya hat einen M.A. in Grafik und bildender Kunst absolviert. Ihre erste Anstellung hatte sie jedoch als Erzieherin. Danach arbeitete sie länger als 15 Jahre als Webdesignerin für NEED, ein großes Privatunternehmen in Sofia, das eine breite Produktpalette in ganz Bulgarien vertreibt. 2014 kehrte Anelya nach Lesnovo zurück, um ihre Energie auf die Verbesserung der Möglichkeiten der dort lebenden Rom_nja zu fokussieren. Und sie eröffnete ihr eigenes kleines Restaurant.
In den Räumlichkeiten, die nun das Anna Café beherbergen, führten vorher Aneliyas Bruder und Schwägerin einen Mini-Markt. Sie gewährten ihrer Kundschaft Kredit und der Laden konnte keinen Gewinn abwerfen. Als ihr Bruder dann nach Italien zog, wurden die Räume frei. Aneliya bewarb sich um eine bulgarische Kleinbetriebsförderung, um den Laden wieder zu eröffnen, doch ihre Bewerbung wurde abgelehnt. Stattdessen musste sie das Geld nutzen, das sie durch ihre Aktienoptionen mit NEED.bg hatte, um das Anna Café zu eröffnen. Aneliya hatte die Vision, einen Ort für junge Rom_nja zu schaffen – einen Treffpunkt, wo sie über ihre Pläne und Hindernisse sprechen konnten. Aneliyas erste Mitarbeiterin war eine junge Romni aus der Nachbarschaft, doch nach einigen Monaten zog auch sie in Richtung Westeuropa.
Aneliya verwaltet auch die Webseite der Nichtregierungsorganisation bulgarischer Rom_nja Amalipe – Center for Interethnic Dialogue and Tolerance. Amalipe ist eine bedeutende Kraft in den Bemühungen, die öffentliche Beschulung in ganz Bulgarien zu integrieren. Ihr Ziel ist »die gleichberechtigte Integration von Rom_nja in die Gesellschaft durch den Fokus auf den Erhalt ihrer Identität und die Modernisierung ihrer Kommunen« (www.amalipe.com).
Während unseres Interviews mit Aneliya kamen Lehrkräfte von der segregierten Grundschule in Lesnovo ins Café, um ihre Bemühungen um die Integration der Sekundarschule zu besprechen. Der Schulamtsleiter von Lesnovo möchte die lokale Sekundarschule nicht integrieren, will aber auch keine Rom_nja zur Sekundarschule in Gorna Malina schicken. Er hat Sorge, dass die Schulen in Lesnovo Schüler_innen verlieren und damit kurz vor der Schließung stünden. Amalipe hat einen Besuch des Schweizer Botschafters in der Sekundarschule organisiert. Durch die Schirmherrschaft von Thirst for Social Alternatives, einem Teil der America for Bulgaria Organization, werden Rom_nja Schulstipendien erhalten, um alle Gebühren und die Materialkosten zu decken, die in der Sekundarschule anfallen.
Aneliya will langfristig Geschäftsmöglichkeiten für Rom_nja in der ganzen Region schaffen. Erstmal hat sie sich um eine Regierungsförderung beworben, um zwei Menschen einzustellen, die ihr mit der Führung und Buchhaltung des Restaurants helfen sollen. »Es ist entscheidend für das zukünftige Wohlergehen der Roma-Gemeinschaften, dass Vater und Mutter beide erwerbstätig sind und ihre Kinder unterstützen können. Die wichtigste Initiative ist die Schaffung und Ausdehnung des Unternehmertums von Rom_nja.«