Ein Junge bringt so wenig Korn zur Mühle, dass das gemahlene Mehl gerade für ein Fladenbrot reicht. Selbst dieses neidet der Müller dem Jungen, und er schlägt daher ein Wettlügen um das Fladenbrot vor. Der Junge ist einverstanden und der Müller lügt drauflos. Der Junge allerdings übertrifft ihn mit der Absurdität seiner Erzählungen haushoch. Es beginnt damit, dass dem Jungen beim Zählen der Bienen eine gefehlt habe, die von einem Bauern in einen Pflug eingespannt wurde, und setzt sich in der Schilderung einer Klettertour über einen Grashalm in den Himmel anlässlich der Geburt seines Vaters fort. Angesichts dieser Fabulierkunst muss sich der neidische Müller geschlagen geben.
Jeg xoxaimaski paramič
Credits
Rights held by: Tomislav Nikolić (work/reading) — Mozes F. Heinschink (recording) | Licensed by: Tomislav Nikolić (work/reading) — Phonogrammarchiv – Austrian Academy of Sciences | Licensed under: Rights of Use | Provided by: Phonogrammarchiv – Austrian Academy of Sciences (Vienna/Austria) | Archived under: B35755 (excerpt)
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Synopsis
Kontextualisierung
In der indischen und orientalischen Erzähltradition, daher auch in den osmanisch beeinflussten Balkanländern, beweisen Lügenmärchen die Fabulierkraft der erzählenden Person und sind als fiktionale Erzählungen klar zu erkennen: Der absurde Handlungsverlauf einer deklarierten ›Lügengeschichte‹ (»Jeg xoxaimaski paramič«) zeugt von Fantasie und erhebt keinen Anspruch auf logischen Zusammenhalt – im Gegenteil, Logik und »Realismus« wäre in diesem Fall nicht kunstvoll. Das beliebte Motiv des Wettlügens hat daher nicht zum Ziel, Fiktion möglichst realistisch als »tatsächlich« zu tarnen (vgl. im Gegensatz dazu aber Lügengeschichten bei manchen Kalderaš), sondern die Absurdität kurzweilig und mit überraschenden Wendungen auf die Spitze zu treiben und möglichst wenige nicht-absurde, »realistische« Handlungsmomente zu verwenden. Dies gelingt dem Burschen in »Jeg xoxaimaski paramič« zweifellos, und daher ist er der Gewinner des Fladenbrotes.
Literatur
Fennesz-Juhasz, Christiane; Cech, Petra; Halwachs, Dieter; Heinschink, Mozes F. (ed.). 2003. Die schlaue Romni. Märchen und Lieder der Roma / E bengali Romni. So Roma phenen taj gilaben. Klagenfurt: Drava Verlag (Transkript und deutsche Übersetzung: pp. 108–13)
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Details
- Tomislav Nikolić (Performer_in)
- Tomislav Nikolić (Autor_in)
- Mozes F. Heinschink (Aufzeichner_in)