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Jenische Reminiszenzen : Geschichte(n), Gedichte

Stumpf auf d’Gadschi = Fremdenhass

Romedius Mungenast | Stumpf auf d’Gadschi = Fremdenhass | Gedicht | lit_00529

Rights held by: Romedius Mungenast | Licensed by: Dr. Andrea Weißkopf-Mungenast | Licensed under: CC-BY-NC-ND 4.0 International | Provided by: EYE - Emirgan Yayinlari Editions (Landeck/Austria)

Fremdenhass

Jawoll
Sagt der am Stammtisch –
Die Fremden stehlen uns die Arbeit
Und a Tiroler kriegt keine Wohnung mehr
Solln abfliegen – die Fremden – die Schaffresser!
Sein Freund auf dem Stuhl gegenüber
Säuft seinen Schnaps aus
Verdreht die Augen
Und erbricht plötzlich sein Abendessen.
Ein Fremder, der beim Wirt angestellt ist,
Kommt mit einem Kübel Wasser
Und ich sag still:
Das ist also die Arbeit, die diese Fremden uns wegnehmen!

Stumpf auf d’Gadschi

Schibus
Schmalt er am Brettling in der Koberei –
Die Gadschi tschoren ins die Buggl
A Tiroler gstibt koa Schrenz mehr
Solln anaschn – die Gadschi – die Lazlbutter!
Sei gwanter Hegl am andern Sitzling
Blast sein Gfunktn übern Kiwes aus
Rollt die Scheinling
Und aus der Menggl stolft s’Buttn von auf d’Negert.
A Gadschi, der beim Koberer schinagglt,
stolft mit an Kannele Flossl
und i schmal stad:
des is der Buggl, den ins die Gadschi tschorn!

Credits

Rights held by: Romedius Mungenast | Licensed by: Dr. Andrea Weißkopf-Mungenast | Licensed under: CC-BY-NC-ND 4.0 International | Provided by: EYE - Emirgan Yayinlari Editions (Landeck/Austria)

Kontextualisierung

Das Gedicht entlarvt das weitverbreitete Argument, »Fremde« oder Immigrant_innen würden den Einheimischen die Arbeitsplätze wegnehmen, als fremdenfeindliches Vorurteil. Die »Fremden« verrichten die Arbeiten, die die Einheimischen selbst nicht machen wollen: Sie müssen schnell zur Stelle sein und den Dreck wegputzen.

Die Szene wird von einem Ich beobachtet und still kommentiert. Obwohl das Ich sich eindeutig zu dem »Wir« – also zu den Tirolern – zu zählen scheint, werden im Text auch mögliche Parallelen zwischen dem Ich und den »Fremden« angedeutet. Das wird vor allem in der jenischen Version des Gedichtes deutlich, in der die »Fremden« als Gadschi bezeichnet werden, derselbe Ausdruck, der im Jenischen auch ganz allgemein für alle Nicht-Jenischen verwendet wird.

Letztlich bleibt allerdings offen, ob die ähnlichen Erfahrungen der Diskriminierung und Ausgrenzung, wie sie Jenische und »Fremde« vonseiten der einheimischen Gadschi erfahren, die Basis für eine Solidarität zwischen verschiedenen Gruppen bieten kann.

Quelle

Mungenast, Romedius (Hg.) 2001. Jenische Reminiszenzen. Geschichte(n), Gedichte. Landeck: EYE Literaturverlag 2001, S. 143.

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Autor_innen
Bibliographische Ebene
Articles
Typ
Sprache
Objektnummer
lit_00529

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