Gheorghe Păun-Ialomiţeanus Buch »Kai jeas, Rromale? Iubiri triste, cu parfum de şatră« (wörtlich ›Wohin, Rom_nja? Traurige Liebesgeschichten mit dem Duft der Roma-Lager‹) enthält zwei Kurzgeschichten: »Atunci ia condamnat pe toţi la … viaţă« (wörtlich ›Dann verurteilte ich alle zu … leben‹) und »Şatră cu parfum de iubire« (wörtlich ›Roma-Lager mit dem Duft der Liebe‹).
In den 1960er Jahren verfolgte das kommunistische Regime in Rumänien eine systematische und harte Assimilationspolitik. Entsprechend diesem systemischen Wandel zählt auch Gheorghe Păun-Ialomiţeanu zu jenen Autor_innen, die selbst der Roma-Gemeinschaft angehören, deren Sprache jedoch nicht mehr verwenden. Obwohl somit auch dieser Roman auf Rumänisch verfasst wurde, identifiziert sich der Autor, wie auch viele seiner Roma-Kolleg_innen in Rumänien, vollständig und stolz mit seinen Wurzeln.
Durch die Augen eines Geigers betrachtet, reflektiert die Geschichte »Atunci ia condamnat pe toţi la … viaţa« kompromisslos den Status der Rom_nja in der rumänischen Gesellschaft und deren Deportation nach Transnistrien. Um den rumänischen Meistern zu gefallen, gibt der Protagonist stets sein Bestes, er tut jedoch auch alles, um seine wahre, tiefverwurzelte Identität als Rom für sich und den engeren Kreis seiner Familie zu bewahren.
Die Geschichte repräsentiert zudem die Perspektive »nomadischer« Rom_nja, die selbst vor dem Hintergrund des Holocaust bestrebt sind, die Gesetze der Romanipen einzuhalten. Und sie zeigt die Perspektive eines intellektuellen Freundes der Rom_nja, von kontroverser ethnischer Zugehörigkeit, der von der traditionellen rumänischen Gesellschaft als Verrückter angesehen und in Folge verdächtigt wird, selbst Rom zu sein.
Der Autor beschreibt das reale Leben, einschließlich der Gefühle von Liebe, Hass, Neid, Hoffnung, Schmerz, Leidenschaft – und vor allem das vorherrschende Gefühl während des Holocausts: Angst. Nicht jedoch die Angst zu sterben, sondern, paradoxerweise, die lähmende Angst, unter ebendiesen Bedingungen zu leben – davor, ein »Überleben um jeden Preis« an die Stelle des »Lebens« selbst treten zu lassen.
Eines der wichtigsten Themen ist das der ethnischen Identität von Rom_nja, mit ihren Besonderheiten und Problemen: Romanes zu sprechen, nur Roma-Musik – und nicht jene der Gadje – zu spielen, den Regeln und Werten der Romanipen zu folgen, ihre Hautfarbe, Familienstrukturen – sowie der Rassismus der Gadje gegen die Rom_nja. Dieser Rassismus setzt sich in der Zeit des Kommunismus fort: Rom_nja mussten »integriert« werden, sie hatten einen stabilen Arbeitsplatz, eine winzige Wohnung und fuhren das klassische Automobil, den Dacia 1300. Der Geigenspieler jedoch ist immer noch der »Tzigan«, der um die Gunst des Herren spielt.
Dieser Rassismus setzt sich auch in der neuen Demokratie nach 1989 fort: Rom_nja haben immer noch eine dunkle Hautfarbe, und ihre Möglichkeiten, an der Gesellschaft teilzunehmen, unterliegen weiterhin ziemlicher Beschränkung. Im Falle der Rom_nja bedeutet die »Verurteilung zum Leben« damit auch, für immer zum Erleiden von Rassismus verurteilt zu sein.
Die Geschichte »Șatră cu parfum de iubire« ist eine schwarze Satire der rumänischen Gesellschaft und der Roma-Gemeinschaft während des kommunistischen Regimes. Die ethnischen und persönlichen Identitäten sind in die graue Atmosphäre einer gesetzlosen Gesellschaft verschlungen. Rom_nja werden zwischen den ehemaligen mobilen Lagern und den neuen städtischen Slums zerrissen, zwischen dem Spannungsfeld, Leben zu schenken und vom Tod überwältigt zu werden. Das Phantom des Rassismus ist immer noch da, manchmal sogar stärker als je zuvor. Der Roman hält jedoch auch die Hoffnung aufrecht, etwas wie eine Roma-Identität aufzuspüren zu können, die, wie er nahelegt, in der Sprache der Rom_nja zu finden sein wird; in ihrer Musik, ihrer Art der Mutterschaft, der Kindheit in der Roma-Gemeinschaft und ihrem dadurch gegebenen Verständnis der Welt.
Quelle der Textprobe
Gheorghe Păun-Ialomiţeanu. 2016. Kai jeas, Rromale? Iubiri triste, cu parfum de șatră. Bucharest: National Center for Roma Culture – Romano Kher, S. 8-9; 130-133.