László Moholy-Nagys Dokumentarfilme aus der Endphase der Weimarer Republik, als in Berlin die Nationalsozialisten aufstiegen (»Berliner Stilleben« von 1926, »Großstadt-Zigeuner« von 1932), sind von Kunsthistoriker_innen und Filmwissenschaftler_innen bisher wenig beachtet worden, im Gegensatz zu seinen experimentellen künstlerisch-pädagogischen Arbeiten und anderen Avantgarde-Filmen der Zeit. Erst seit zehn Jahren, unter dem wachsenden Einfluss kritisch-kulturwissenschaftlicher Ansätze, ändert sich dies. Die Film- und Medienarchäologie unterläuft die deskriptiven, systematisierenden Verfahren, die sich hauptsächlich auf formale Aspekte stützen und »das Poetische vom Politischen« trennt. Der deutsche Filmhistoriker Jan Sahli hat in einer kürzlich veröffentlichten Monografie begonnen, Moholy-Nagys filmisches Werk anhand des Leitmotivs der »Sinneserweiterung« zu kartografieren. In meinem Vortrag folge ich der Stoßrichtung der »neuen Filmgeschichte« (Thomas Elsaesser) und verwende die Ergebnisse meiner eigenen Forschung zu Roma-Bildern im ungarischen Film, um Moholy-Nagys »Befallenheit« herauszuarbeiten, seine Filme als »Gedächtnismuster« (Jan Assmann) zu analysieren und damit ihre Bedeutung für die kollektive Erinnerung der Sinti und Roma zu zeigen. Indem ich den Begriff »Kunstwollen« bei dem österreichischen Kunsthistoriker Alois Riegl entleihe und erweitere, argumentiere ich, dass László Moholy-Nagy nach seiner Rückkehr nach Berlin angesichts der Veränderungen im gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben seine Aufmerksamkeit auf soziale Themen richtete und das Medium Film dafür nutzte, die Erfahrungen gesellschaftlicher Gewalt formal widerzuspiegeln und damit seinen Widerstand gegen die erstarkenden faschistischen Tendenzen auszudrücken.