Das Problem der Beobachter_innen ist seit langem ein Schlüsselthema der Philosophie, der Literaturtheorie, der Kunst und der Psychologie. Hingegen haben die Hauptströmungen der Soziologie, Anthropologie und Sozialgeschichte bisher die Möglichkeiten der Beobachter_innen hauptsächlich im Zusammenhang bildlicher Darstellungen untersucht. Erst vor drei Jahrzehnten erschien das Verhältnis von Bild und Text, von Blick und Erblicktem überhaupt am Horizont dieser Disziplinen. Anhand der Darstellungen von Sinti- und Roma des 19. und frühen 20. Jahrhunderts lässt sich nachzeichnen, wie mitteleuropäische Gesellschaften ihre eigene sexualisierte und feminisierte Blackness konstruieren. Dazu dienen ihnen »Wilde« als Gruppe und als Individuen und gleichermaßen ihre fernen wie ihre nahen Kolonien. Im Panoptikum der mitteleuropäischen Moderne werden die »Zigeuner« zum Pendant der afrikanischen und asiatischen »Primitiven« Westeuropas. Ein bedeutender Unterschied besteht allerdings zwischen der Repräsentation von aus den Kolonien importierten »Wilden« und von »Eingeborenen«: Der »Zigeuner« wurde bei der Konstruktion der mitteleuropäischen Nationalstaaten zum festen Bestandteil des nationalen Selbstbildes. Konzepte, die die bildliche Darstellung von Sinti und Roma prägten, bewegten sich zwischen Mittel- und Westeuropa hin und her. Diese reisenden Bilder und Vorstellungen sowie der Begriff des kolonialen und des emanzipatorischen Blicks in der Geschichte der Sinti- und Roma-Darstellungen sind Gegenstand des Vortrags.