Der Vortrag setzt bei einem Detail an – der Darstellung einer heidnischen Frau auf Derick Baegerts Altar-Retabel –, um die Ikonografie der Romni, die Betrachter_innen mit festem Blick ansieht, eingehend zu untersuchen. Baegerts Komposition ist eine der ersten, die dieses »Starren« zeigt. Es folgten, bis weit ins 19. Jahrhundert hinein, zahlreiche ähnliche Bildanordnungen, in den Sintizze und Romnja Betrachter_innen direkt anblicken.
Die zweite Fallstudie geht der Lebensgeschichte und dem Einfluss der amerikanischen Romni Fenella Lowell nach, die 1902 in Paris eintraf. Sie war Modell und Gefährtin der französischen Bildhauer Antoine Bourdelle und Auguste Rodin, ehe sie mit dem ungarischen Maler József Rippl-Rónai nach Budapest ging, wo sie sowohl Rippl-Rónai als auch der berühmten ungarischen Fotografin Olga Máté Modell stand.
Die dritte Studie widmet sich den Porträtzeichnungen von Sintizze (vor allem Gaia und Ringila), die der deutsche Bildhauer Otto Pankok anfertigte. Pankok war Ende der 1920er Jahre Ehrenmitglied einer Sinti-Großfamilie in der Nähe von Düsseldorf und wurde später ihr Unterstützer und Chronist beim kulturellen Überleben und im Widerstand.
Die drei Fallstudien sollen anhand dieser drei weit voneinander entfernten, aber ähnlich bedeutsamen Momente in der europäischen Kunstgeschichte ein Licht auf die Rolle von Sintizze und Romnja in der europäischen Kunst werfen. Und sie sollen drei wirksame, wissenschaftlich fundierte Strategien hin zu einer horizontaleren Kunstgeschichtsschreibung aufzeigen.