»Ich glaube, der Film wurde von jemandem außerhalb der Community gedreht, nicht aus ihr heraus. Er zeigt das Abmühen mit den Herausforderungen des Lebens, aber eher aus der Sicht eines Journalisten, als aus der eines Filmemachers.«
Ivana Todorovic
Synopse
Artur Conka ist ein junger Filmemacher und Fotograf, der in Großbritannien lebt, seit er acht Jahre alt ist. Geboren wurde er in einer Industrieregion bei Košice in der Slowakei. Die Geschichte einer riesigen Siedlung und ihrer Bewohner_innen (hauptsächlich in extremer Armut lebende Roma sowie Obdachlose) zeigt, wie die Assimilierungspolitik des sozialistischen Regimes, die auf Arbeitspflicht und dem gleichen Recht auf Arbeit basiert, nach dem Niedergang des Regimes versagt. Die Schließung von Fabriken vor Ort ohne die Schaffung neuer Arbeitsplätze oder Umschulungen und die fehlenden finanziellen Mittel für Sozialleistungen bedeuteten für viele Tausende ungelernter Arbeitskräfte den Anfang des tragischen Abstiegs in die Verarmung – und dies nicht nur in Luník IX, einem Stadtteil von Košice, sondern in vielen Industrieregionen Mittel- und Osteuropas. Conkas Familie entging diesem Schicksal und fand eine neue Heimat und eine sichere Existenz in London.
Nach dem Besuch seiner Heimatstadt im Jahr 2009 war Conka schockiert von den Veränderungen, die Lunik IX in ein Ghetto verwandelt hatten und beschloss, mit der Kamera wiederzukommen. Durch die Reminiszenz an seine Kindheit gelang es ihm, mit den Bewohner_innen in Kontakt zu treten und einen kurzen Low-Budget-Dokumentarfilm zu drehen: »Lunik IX«. Der Film versucht ein realistisches Bild zu zeichnen, doch sein Beobachtungsansatz lässt die Zuschauenden nicht die tief verinnerlichten Stereotypen überwinden. Zweifelsohne kann man die Aktion dieses Filmemachers der ersten Generation von Intellektuellen als Stärkung des Selbstbewusstseins bezeichnen. Und doch lässt es sich, wenn man aus Westeuropa zurückkehrt, nicht vermeiden, die Linse der Kamera für die Betrachtung aus der Distanz zu nutzen, selbst wenn die Romanes als Bindeglied zwischen Interviewer und Informant_innen fungiert. Die faktische Erzählung des Autors selbst und die emotionale Musik schaffen hier einen Gegenentwurf zum ansonsten vielbemühten journalistischem Stil der Ästhetik der Armut im hochwertigen Film.
Rezeption
Aviram, Alon: ‘Artur Conka Photographs the Roma Poor He Left Behind’, Vice, 31 May 2013, https://www.vice.com/en_us/article/artur-conka-photographs-of-lunik-ix-make-me-sad
Conka, Artur: ‘What Is Life really Like for Roma Families Around Europe?’, Huffington Post, 13 May 2013, http://www.huffingtonpost.co.uk/artur-conka/roma-families-in-europe_b_3253404.html