»Mein sehnlichster Wunsch ist es das Zentrum für Roma-Forschung zu gründen, das Schicksal der Roma zu untersuchen, die dem Holocaust zum Opfer gefallen sind, und den Überlebenden, mit denen wir heute noch sprechen können, eine Stimme zu geben.«
Ágnes Daróczi ist am 18. November 1954 in Berettyóújfalu/Ungarn geboren. Sie verfügt über einen Abschluss als Sekundarlehrerin (1978, ELTE BTK), spezialisiert auf die ungarische Sprache und Literatur. Zudem ist sie Kulturmanagerin, Rezitatorin, Journalistin und Minderheitenforscherin.
Ágnes Daróczi sagt über sich selbst:
»Ich bin in Bedő aufgewachsen, einem rumänisch/ungarischen Roma-Dorf mit knapp 300 Einwohnern, als erstes von fünf Kindern. Ich war eine der ersten Romnija mit Hochschulabschluss. In der Schule habe ich mich anfangs besonders für Chemie und Physik interessiert und zwei Jahre lang darauf hingearbeitet, Chemikerin zu werden; dann war meine Leidenschaft für die Kunst und meine Kreativität jedoch stärker als mein Interesse an den Naturwissenschaften.
Also organisierte ich im Mai 1979 die allererste Ausstellung mit Gemälden von Roma-Künstlern. Aus heutiger Perspektive kann man sagen, dass diese Ausstellung die Geburtsstunde der Roma-Kunst markiert. Bereits 1978 gründeten wir das Musik-Ensemble ›Kalyi Jag‹, das erste Ensemble, das international erfolgreich war und eigene Alben veröffentlichte. Bis 1984 wurde es von meinem Mann János Bársony, der Mandoline spielt, geleitet. Ich habe versucht, die Möglichkeiten, die Journalismus und Film bieten, für die Interessen meines Volkes zu nutzen.
Am 2. August 1994 wurde mit einer achtstündigen Sendereihe zum ersten Mal in der Geschichte des ungarischen Fernsehens des 50. Jahrestags des Völkermordes an den Roma während des Holocaust gedacht. Bekannte Künstler wie der Filmregisseur Miklós Jancsó, der Autor Menyhért Lakatos, der Maler Tamás Péli und die Musiker Stefan Grapelli und Django Reinhardt unterstützten uns dabei.
Der wohl größte Erfolg unserer Zusammenarbeit war, dass wir die Pläne für ein »Roma-Ghetto« in Miskolc verhindern konnten (Anti-Ghetto-Komitee), was im Anschluss zur Gründung der ersten demokratischen Roma-Organisation Phralipe geführt hat.
Das Romaversitas Invisible College, dessen Leitung ich drei Jahre lang als Halbzeitstelle innehatte, wurde gegründet, um der bis dahin größtenteils fehlenden Roma Intelligentsia zu helfen. Unter meinen Studenten waren großartige Künstler, ein Philosoph, der in seine Heimat zurückgekehrt war um seine Community zu unterstützen, engagierte Mitarbeiter internationaler Stiftungen sowie junge Menschen, die erfolgreich Aufgaben der öffentlichen Verwaltung übernahmen.
Nach der Auswertung einer außergewöhnlichen Datenbasis und mehreren Jahrzehnten Forschungsarbeit wurde im Jahr 2004 im Rahmen des PHARE-Projekts eine Ausstellung zum Holocaust an den Roma organisiert, in deren Folge auch ein Buch zu demselben Thema mit dem Titel ›Pharrajimos – romák sorsa a Holocaust idején‹ herausgegeben wurde. Das Buch ist auf Initiative Dritter mittlerweile sogar auch auf Englisch und Kroatisch erschienen.
Auf meine Initiative hin haben wir endlich erreicht, dass am Ufer der Donau in Budapest das Mahnmal zum Gedenken an die während des Holocaust ermordeten Roma errichtet wurde. Der symbolisch besetzte Ort, hinsichtlich des Raumes und der Erinnerung, stand immer wieder im Zentrum von Debatten und Konflikten.
Der einzig verbleibende Weg für die Zivilbevölkerung ist, ihrem Protest durch Demonstrationen Ausdruck zu verleihen. Dies war auch das Mittel meiner Wahl, um gegen die Gründung der ungarischen Garde, der Magyar Gárda, zu protestieren, gegen ihre terroristischen Aktivitäten in Hejőszalonta und Cegléd usw. Unsere Freiwilligenorganisation hat den Familien der Opfer der Mordserie wertvolle Hilfe geleistet.
Auf Initiative der deutschen Fußballnationalmannschaft sowie der größten deutschen Vereinigung der Sinti und Roma hat der Internationale Bauorden unter meiner Leitung und der Koordinierung von Phralipe zwischen 2010 und 2012 zwölf Familien beim Wiederaufbau ihrer Häuser geholfen.
Die Romano Instituto Foundation wurde 2010 von Privatpersonen gegründet. Ihr Ziel ist es, die Schaffung immer noch fehlender Einrichtungen für Roma voranzutreiben und die gegenseitige Akzeptanz und die Inklusion der Roma mittels Wissenschaft, Forschung und öffentlicher Diskussion zu fördern. Ich selbst bringe all mein Können und meine Fähigkeiten in diese Stiftung ein.«