Fernanda de Utrera singen zu hören ist kein harmloses Vergnügen, sondern eine Erfahrung, die nicht ohne Auswirkungen auf das Publikum bleibt. Man könnte meinen, man bezeuge einen Kampf auf Leben und Tod. Immer wieder fragt man sich, wer gewinnt, ob ihre Stimme bis zum letzten Ton durchhält. Doch aus diesem Streit geht Fernanda de Utrera jedes Mal siegreich hervor. Deshalb wurde sie auch »die Königin der Soleá« genannt. Egal wie hart der Gesang ist, wie sehr er sticht und nagt, am Ende behält sie die Oberhand. Nach jedem Lied liegt die Seele in Fetzen auf dem zurückgelegten Weg, und das Herz kribbelt vor Verzückung. In dem Moment begreift man, dass »unter Mühen« singen nicht nur so dahingesagt ist, es ist eine Tatsache.

Fernanda Jiménez Peña wurde am 9. Februar 1923 in der südspanischen Stadt Utrera in eine Roma-Familie geboren, in der der Flamenco – Tanz und Gesang – ein Naturzustand war, ein Mittel, um die Gefühle auszudrücken. Freud und Leid zeigten sich zum Rhythmus der Soleá, der Siguiriyas oder Bulerías.
In der Welt des Flamencos ist die Familie bekannt als »Los Pininis« – ein Name, den sie von Fernandas Großvater hat, Fernando Peña Soto »Pinini«, dem Schöpfer der berühmten »Cantiñas de Pinini«.

Da es sich hierbei um eine Familie von Schlachtern handelte, hatte Fernanda Jiménez Peña eine finanziell recht unbeschwerte Kindheit und Jugend, und nie musste sie zu der Zeit ihre künstlerischen Fähigkeiten einsetzen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der Flamencogesang war jedoch ein Teil von ihr und brach spontan heraus. Jedes Familienfest war ein willkommener Anlass für Fernanda Jiménez Peña, ihr musikalisches Füllhorn auszugießen und die Anwesenden in Begeisterung zu versetzen – weshalb man sich in ihrem Umfeld sehr wohl bewusst war, dass sie früher oder später aus ihrer natürlichen Begabung einen Beruf machen würde. Und das, obwohl ihre Eltern nichts davon wissen wollten – zum einen, weil es keine ökonomische Notwendigkeit gab, zum anderen, weil sie eine Frau war (wir dürfen nicht vergessen, dass es in jenen Jahren dem Ansehen einer Frau nicht eben zuträglich war, wenn sie ins Showgeschäft einstieg).

Doch ihr Weg war vorgezeichnet. Alle möglichen Künstler_innen gingen bei ihr zu Hause ein und aus, und sie waren fasziniert von der Ausdruckskraft der jungen gitana. Sie alle waren der Meinung, dass dieses verborgene Juwel nicht einer kleinen Minderheit vorbehalten bleiben sollte. Und so ergab sich 1952 die Gelegenheit, sie einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, und zwar mit einem Auftritt in dem Film »Duende y misterio del flamenco« des spanischen Filmemachers Edgar Neville. Von da an folgten Fiestas und private Auftritte sowie der Sprung in die Hauptstadt Spaniens an der Seite des großen Antonio Mairena. Madrid ist in diesen Jahren das Zentrum des Flamencos schlechthin. Es ist die hohe Zeit der Flamencobühnen (Tablao Zambra, El Corral de la Morería, Torres Bermejas, Las Brujas usw.), und ständig kommen Künstler_innen aus Andalusien, um sich den Ensembles anzuschließen. Für ihr Prestige reißen sich die Lokale darum, Fernanda de Utrera im Programm zu haben. Es folgen erste Schallplattenaufnahmen und schließlich 1964 der internationale Durchbruch, mit ihrem Auftritt auf der Weltausstellung in New York. Dies wird zum grandiosen Erfolg, und Fernanda de Utrera geht auf eine Tournee, die sie in Länder auf mehreren Kontinenten führt.

Als sie nach Spanien zurückkehrt, wetteifern die Schallplattenfirmen darum, sie unter Vertrag zu nehmen, und sie nimmt das ganze Spektrum der cantes gitanos auf, begleitet von den namhaftesten Gitarristen der damaligen Zeit, Manuel Morao, Juan Habichuela, Melchor de Marchena und anderen.

Ende der 1960er Jahre boomen die Festivals, und Fernanda de Utrera beschließt, Madrid zu verlassen und in ihre Geburtsstadt zurückzukehren. Logistisch eignet sich Utrera besser für sie, da die meisten dieser Veranstaltungen in Städten und Dörfern Andalusiens stattfinden.

So geht es bis in die 1990er Jahre, genauer gesagt bis 1995, als Carlos Saura, der berühmte Regisseur, seinen Film »Flamenco« dreht und gar nicht umhinkommt, Fernanda de Utrera auszuwählen, damit sie die Stile der Soleá singt und verkörpert, es ist ihr Gesang par excellence.

In dieser Zeit bekommt sie gesundheitliche Probleme, die Diagnose ist Alzheimer, und es geht ihr immer schlechter, bis sie am 24. August 2006 stirbt.
So verlosch das Erhabene, die Eleganz, der reißende Schmerz, das Modulieren mit der heiseren, gebrochenen Stimme, die gitanería … Fernanda de Utrera … die Soleá.

Unzählige Preise schmücken ihre Vitrinen, erwähnt seien hier vor allem:

– Premio Nacional de Cante de la Cátedra de Flamencología de Jerez de la Frontera (1967)

– Medalla de Plata de Andalucía (1994)

– Medalla de Plata al Mérito en el Trabajo (2003)

– Medalla de Oro al Mérito en las Bellas Artes (2005)

Hörbeispiele zu Fernanda de Utrera finden sich unter folgenden Links:

http://canteytoque.es/paquirri3fernanda.mp3

http://canteytoque.es/juaniqui2fern.mp3