Juliusz Rudko Kawczynski wurde am 26. November 1954 in der polnischen Stadt Krakau als Sohn einer rumänischen Romni und eines Polen geboren. 1957 floh seine Familie zunächst nach Österreich und später in die Bundesrepublik Deutschland. Zunächst lebten sie illegal in verschiedenen Städten. 1959 kamen sie in Hamburg an und beantragten dort Fremdenpässe. Kawczynski musste die Volksschule bereits nach vier Jahren verlassen, um seine Familie finanziell zu unterstützen, da sein Vater infolge einer Schussverletzung durch einen SS-Mann während des Zweiten Weltkriegs arbeitsunfähig geworden war. Er verkaufte deshalb bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr Armbanduhren auf dem Hamburger Fischmarkt. Mit seiner späteren Frau und seinen zwei Söhnen wanderte er im Alter von 19 Jahren in die USA aus. Nach Ausweisung durch die amerikanischen Behörden zog die Familie nach Schweden, wo sie sich illegal aufhielt. Kurze Zeit später wurden sie nach Westdeutschland abgeschoben und lebten wieder in Hamburg.
Kawczynski engagierte sich bereits früh in der Bürgerrechtsbewegung deutscher Sinti und Roma. Auf der Gedenkkundgebung in Bergen-Belsen 1979 lernte er den Musiker und Sinto (Stefan) Tornado Rosenberg kennen, mit dem er wenig später die Musikgruppe »Duo Z« gründete. In ihren politischen und oft zynischen Texten beschrieben die beiden im für die 1960er und 1970er Jahre typischen Liedermacher-Stil die Diskriminierung der Sinti und Roma und beklagten die Verdrängung des Völkermordes in der Bundesrepublik Deutschland. Zugleich beteiligte sich Kawczynski an der Gründung der »Rom und Cinti Union« (RCU) in Hamburg, deren Vorsitzender er bis heute ist. Im Dezember 1983 wurde die RCU Mitgliedsverein im »Zentralrat Deutscher Sinti und Roma«. Mitte der 1980er Jahre setzten sich Kawczynski und die RCU für die Aufarbeitung der NS-Verfolgung der Hamburger Sinti und Roma ein. So erreichten sie 1983 mit einem Hungerstreik in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme die Durchsetzung des Zugangs zu den Akten der ehemaligen »Landfahrerdienststelle« in Hamburg. 1984 stellte die RCU Strafanzeige gegen die ehemalige »Rassenforscherin« Ruth Kellermann, das Verfahren wurde aber 1989 wieder eingestellt.
Ende der 1980er Jahre trennte sich die RCU aufgrund inhaltlicher Differenzen vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Seit 1988 setzte sich Kawczynski maßgeblich für die Legalisierung von geflüchteten Rom_nja in der Bundesrepublik ein. Bei mehreren Demonstrationen, darunter Hungerstreiks, Protestmärsche und Kirchenbesetzungen, fungierte er als Sprecher der von Abschiebung bedrohten Rom_nja. Einige Aktionen dieser Bleiberechtsbewegung wurden im Dokumentarfilm »Gelem Gelem – Wir gehen einen langen Weg« (Rhizomfilm, Deutschland, 1989/91) festgehalten.
1989 kandidierte Kawczynski als symbolischer Spitzenkandidat, der weder mitwählen darf noch wählbar ist, der Partei »Die Grünen« für die Europawahlen, um auf Menschenrechtsverletzungen an Sinti und Roma aufmerksam zu machen. Seitdem setzt er sich auch auf internationaler Ebene für die Rechte der Minderheit ein: als Initiator und Mitwirkender in vielen Selbstorganisationen und Projekten, wie dem »Roma National Congress« (RNC), dem »European Roma Rights Centre« (ERRC), dem »OSCE Contact Point for Roma and Sinti Issues« oder dem »European Roma and Travellers Forum« (ERTF).
Diskografie
LP: 1981, »Ganz anders. Deutsche Zigeunerlieder«, pläne – 88257