Wenn es einen Sänger gibt, dessen Genialität niemand in der Welt des Flamencos bestreitet, dann ist es Tomás Pavón. Die größten Künstler_innen dieses Genres, Rom_nja ebenso wie Nicht-Rom_nja; die Bewohner_innen der verschiedenen Gebiete Andalusiens, wo die Wiegen dieser Kunst stehen; Aficionados mit den unterschiedlichsten Vorlieben; jene unter den Älteren, die die Gelegenheit hatten, ihn persönlich oder auch nur seine Aufnahmen zu hören; Forschende und die Kritikerzunft: Sie alle, ohne irgendeine Ausnahme, huldigen diesem Gitano-Musiker.

Tomás Pavón Cruz wurde am 16. Februar 1893 in Sevilla geboren, im Viertel Puerta Osario, und starb am 2. Juli 1952 in Sevillas Viertel La Alameda, in einem schlichten kleinen Zimmer, das seinem Bruder gehörte.
Er war der Jüngste von drei Geschwistern, alle drei cantaores und Mitglieder einer der bedeutendsten Flamencofamilien: der Pavóns. Arturo Pavón Cruz und Pastora María Pavón Cruz – »La Niña de los Peines« – sind die beiden anderen in diesem Trio.

Seine besondere Persönlichkeit, sowohl menschlich als auch künstlerisch, lässt sich auf einige Umstände zurückführen, die ihn von klein auf prägten: Sein Vater Francisco Pavón Cruz, genannt »El Paíti«, Rom und von Beruf Schmied, war ein Feierabendsänger, der gerne las und klassische Musik liebte. Dieser weckte in Tomás Pavón die Liebe zur Literatur und das Interesse an jeder Art von Musik. Romane und Frédéric Chopin waren immer Teil seines Lebens, genauso wie das Angeln, das Bauen von Vogelkäfigen und das Reparieren von Taschenuhren. Was seinen Charakter – schüchtern, zurückhaltend, scheu – jedoch wohl am meisten formte, hatte seinen Ursprung in einer körperlichen Anomalie: Er wurde mit einem fehlgebildeten Fuß geboren und humpelte. Zwar fertigte ihm sein Vater, der Schmied, einen Metallschuh an, der den Defekt korrigierte, doch körperliche Folgen blieben, weshalb er nicht frei von Komplexen war.

Der Jüngste der Pavóns hatte genau wie seine Geschwister den cante schon in den Genen, und im Schoß der Familie entwickelt er seinen Gesang und zeigt ihn bald der Welt. Er ist gerade mal zehn Jahren alt, als sein Bruder Arturo ihn in Madrid dem Flamencopublikum präsentiert, und die Kundigen des Genres sind aufs Angenehmste überrascht. So eigenwillig er ist, kehrt er jedoch bald zurück nach Sevilla, die Stadt, die er fortan nur wenige Male verlässt.

Auf eigenen Wunsch hin beschloss er, sich seinen Lebensunterhalt auf privaten Festen zu verdienen, die er nach den jeweiligen Gästen auswählte. Für ihn verlangte der Flamencogesang aufgrund seines inneren musikalischen Werts nach einer Umgebung, in der die Zuhörenden ihm Respekt zollten. Bevor er irgendwo auftrat, erkundigte er sich immer erst nach den Personen, die kommen würden, und oft lehnte er ab – das angebotene Geld war ihm dabei egal. Daher lebte er mit seiner Frau Reyes Bermúdez Camacho (einer gitana aus Sevillas Viertel Triana) in schwierigen finanziellen Verhältnissen.

Er war ein Bohemien, der, auch wenn es ihm an Gelegenheiten und Angeboten nicht mangelte, den Talmiglanz der Kunst mied – die großen Bühnen ebenso wie die Aufnahmestudios. So wundert es nicht, dass er nur etwa zwanzig Stücke einspielte, genügend jedoch, um das angesammelte klangliche Potenzial vorzuführen. Die wenigen Aufnahmen, die Tomás Pavón hinterließ, sind alle von hoher Qualität und behaupten ihren Rang innerhalb der Roma-Musik und des Flamencos. Seine Interpretationen sind kanonisch geworden für die nachfolgenden Generationen.

Er beschäftigte sich, ausgehend von den Versionen bedeutender Flamencofamilien wie Los Pelaos und Los Caganchos, eingehend mit den für Triana typischen Versionen der Soleá und der Siguiriya; auch halb vergessene Gesänge aus diesem Viertel erweckte er zu neuem Leben: die Tonás, die Martinetes oder die Deblas, aus denen er einen eigenen cante machte.

Genauso widmete er sich den Varianten der Soleá aus Cádiz (»El Mellizo«), Jerez de la Frontera (»La Serneta« und »Frijones«) und Alcalá (Joaquín el de la Paula) und gab ihnen eine ganz eigene Note – seither sind sie bekannt als die cantes des Tomás Pavón. Gesänge, die er, mit seiner runden Stimme und voller Melismen, auf eine einzigartige Weise anlegte, um die tercios in die Länge zu ziehen und die Melodie in den Tiefen zu handhaben, immer auf der Suche danach, musikalisch die Resignation im »unterdrückten Schmerz« zum Ausdruck zu bringen.

Seine Genialität ist von solchen Graden, dass allein bei der Nennung seines Vornamens, Tomás, die Aficionados sich auf den höchsten Genuss einstimmen.

Er ist der einzige Flamencokünstler, der diese Kunst maßgeblich geprägt hat und dessen Name trotzdem nie auf einem großen Plakat zu sehen war, der kaum je auf einer renommierten Bühne stand und in dessen Lebenslauf sich weder ein Preis noch eine andere Form der Anerkennung finden lassen.

Erinnern werden wir uns an eine seiner genialen Interpretationen im Siguiriya-Stil:

http://canteytoque.es/acaganchotom4.mp3