Vorsitzender: Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Geschäftsführer: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
Leiter: International Movement Against All Forms of Discrimination and Racism (IMADR)
Sinti_zza leben seit mindestens 600 Jahren in Deutschland. Deutsche Sinti und Roma haben seit Jahrhunderten ihrem Land im Militär gedient. Sogar im Dritten Reich kämpften sie, vor allem an der Ostfront, bis sie auf der Grundlage ihrer Ethnizität ausgeschlossen wurden. Nichtsdestotrotz haben Sinti und Roma weiterhin mit Diskriminierung zu kämpfen, die durch Mediendarstellungen von einer würdelosen Kultur in Armut aufrechterhalten wird.
»Ich wuchs in einem langen Schatten von Auschwitz und den Ruinen des Zweiten Weltkriegs auf. Das hat mich im Kontext dieser Gesellschaft geprägt. Meine Großeltern wurden festgenommen, deportiert und in Auschwitz ermordet. Mein Vater versteckte sich und überlebte. Sein ganzes Leben war er vom Schuldgefühl der Überlebenden geplagt. Unsere war eine bürgerliche, traditionelle Familie gewesen. Vor dem Krieg zeigten wir Filme in verschiedenen deutschen Städten Nach dem Krieg kaufte unsere Familie Kinos. Ich fühlte mich privilegiert, weil ich meine Schulfreunde zum Filmschauen in unser eigenes Kino einladen konnte.«
In den 1960er Jahren begannen viele junge Menschen, ihre Eltern zu deren Rolle im Nationalsozialismus zu befragen. »Es begann eine Realisierung der Komplizenschaft gewöhnlicher Deutscher mit den nationalsozialistischen Gräueltaten.« Aktivist_innen in den Universitäten forderten von der Regierung eine Demokratisierung der bürokratischen Strukturen und deren Befreiung von den ehemaligen Nazis und Nazi-Symphatisanten. Die studentische Bewegung von 1968, die von der versuchten Ermordung des studentischen Wortführers Rudi Dutschke befeuert wurde, »inspirierte mich, ich wollte an der Schaffung einer offeneren und weniger rassistischen deutschen Gesellschaft mitwirken.«
In ganz Deutschland wuchs in den 1960er Jahren ein Verständnis der falschen rassistischen Kategorien, die von den Nationalsozialisten eingesetzt worden waren, um ihre genozidalen Praktiken zu rechtfertigen. Ein Bewusstsein über das Ausmaß der Vernichtung der europäischen Juden unter der deutschen Besatzung verbreitete sich schrittweise. Der Holocaust an den Sinti und Roma wurde in diesen Offenlegungen ausgelassen, trotz der Tatsache, dass deutsche Sinti und Roma zu Zehntausenden in die Gaskammern deportiert worden waren. Jene, die den Konzentrationslagern entgingen, landeten in der Zwangsarbeit für die deutsche Kriegsindustrie.
Eine Dauerausstellung im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg etabliert »ein Gedenken an unsere verfolgte und ermordete Minderheit«. Die Ausstellung spürt der Geschichte der Verfolgung durch die nationalsozialistische Regierung »vom schrittweisen Rechtsentzug und Ausschluss aus quasi allen Bereichen des öffentlichen Lebens bis hin zum staatlich organisierten Völkermord« nach (»The Civil Rights Movement of the Sinti and Roma in Germany«, Hg. Gheorghe Petru et al.).
»Heutzutage würde niemand in Europa antisemitische Hassrede hinnehmbar finden, aber Hassrede gegen Sinti und Roma grassiert. Die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) veröffentlichte 2013 ihre Plakatkampagne ›Geld für die Oma statt für Sinti und Roma‹, die auf die vermeintliche Zuteilung sozialer Unterstützungsleistungen anspielt.« Die deutsche Gesetzgebung schützt solche Sprüche als »Freie Meinungsäußerung«, solange sie nicht zu spezifischen Handlungen gegen die angegriffene Minderheit aufrufen. Die Mainstream-Medien tun wenig, um Vorurteile und Diskriminierung zu bekämpfen. Stattdessen beschreiben sie zusammen mit dem Vorwurf einer Straftat den ethnischen Hintergrund einer Person.
Eine fortwährende, von Negativstereotypen geprägte Kategorisierung durch die Medien veranlasst einige Sinti und Roma dazu, ihre kulturelle Identität zu verleugnen. Es ist heute in Europa verpönt, eine Person aufgrund der bloßen Tatsache ihres jüdischen Familienhintergrunds zu diskriminieren, doch das lässt sich hinsichtlich Sinti und Roma nicht sagen. Der hier vorherrschende Rassismus schafft einen scheinbaren Konflikt zwischen kultureller und nationaler Identität. »Deutsche Sinti_zza sind Bürger Deutschlands; und dennoch werden deutsche Komponisten aus Sinti-Familien als kulturelle Figuren gesehen statt als nationale Figuren in Gesellschaft von Beethoven oder Offenbach.« Es gibt keinen inhärenten Konflikt zwischen der kulturellen und der nationalen Identität einer Person, aber kulturelle Voreingenommenheit kann eine Unterschiedlichkeit herstellen, wo keine besteht.
»In der gesamten deutschen Gesellschaft die soziale Demokratie zu fördern und zu stärken – das ist das größte Geschenk, das ich den Menschen in Deutschland und Europa gemacht habe. Eine offene Demokratie, die ihre jungen Leute zu demokratischen Werten erzieht, ist der beste Weg nach vorn für alle Europäer_innen, unabhängig von ihrem ethnischen Hintergrund.« Dr. Martin Luther King Jr. hatte einen Traum, dass sich Gerechtigkeit und Gleichheit für alle durchsetzen würde; dass unsere Kinder eines Tages »in einem Land leben werden, in dem sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden«.
»Ich träume denselben Traum und werde meine Arbeit für die Menschenrechte in Deutschland und in ganz Europa fortsetzen.«