Archiv

Suche

»Sechs Jahre treu und ehrlich in der Gemeinde gedient«

Georg Ujvari | »Sechs Jahre treu und ehrlich in der Gemeinde gedient« | Selbstbeweis | Deutsches Reich (Ostmark) | 3. Oktober 1941 | voi_00024

Rights held by: Georg Ujvari | Provided by: Collection Dr. Herbert Brettl (Halbturn/Austria) | Archived under: /

An das
Gemeindeamt
Halbturn Kreis
Bruck a/d Leitha

Herr Bürgermeister.
Ersuche Sie vielmals[,] Herr Bürgermeister[,] um die Zusendung meines Lohnes für die Zeit vom 4. [bis] 20.9.1941, was ich hoffentlic[h] auch verdient habe.
Ersuche auch um die Arbeitszeugnis[s]e für die 6 (sechs) Jahre[,] die ich [t]reu und [e]hrlich in der Gemeinde gedient habe[,] denn [ich] brauche [sie] auch dringend.
Sollte ich wieder in der Gemeinde eingestellt werden können[,] so ersuche ich Sie[,] Herr Bürgermeister[,] ein Gesuch an den Landrat einzureichen und ein Duplikat mir selbst zugehen zu lassen[.] /
In der Hoffnung auf baldige Erfüllung meiner Bitte zeichne ich /
mit deutschem Grus[s]
Georg Ujvari

Adresse:
Georg Ujvari
R.A.B. [Reichsautobahn-]Lager in
Klausen-Leopoldsdorf N 1826
Stube C
b[ei] Baden N[iederdonau]

[Eingangsstempel]
Gemeinde Halbturn
eingelangt am 3. Okt. 1941 Zl. A.F.

unbeantwortet lassen
Der Bürgermeister
Steiner Michael

To:
Municipal Office
Halbturn
Bruck a/d Leitha

Mr Mayor.
I strongly request, Mr Mayor, that my wages, which I hope I have earned, be sent to me for the period from 4 to 20 September 1941.
I also request the employment reference for the 6 (six) years in which I served the municipality loyally and honestly, since I need it urgently.
Should the municipality once again be able to employ me, then I would ask you, Mr Mayor, to submit a request to the district administration and have a duplicate sent to me.
In the hope that my request will soon be met,
Signed, with German greetings,
Georg Ujvari

Address:
Georg Ujvari
Reich Autobahn camp in
Klausen-Leopoldsdorf N 1826
Room C
Near Baden N[iederdonau]

(Stamp of receipt)
Halbturn Municipality
Received 3 Oct 1941 Zl. A.F.

To be left unanswered
Mayor
Steiner Michael

Dži ke
Komunaki kancelarija
Halbturn Distrikto
Bruck a/d Leitha

Raj šerutneja,

Me rodav, Raj šerutneja miro ajluko, kaj me paćav kaj lačhi thaj pakivali buti kerdem, te ovel mange bičhaldo o ajluko vaš o periodo kotar o 4. dži ko 20. Septembro 1941 berš.
Me rodav vi muro bućarnimasko lil vaš e šov beršengi buti thaj keribe ki komuna kaj semas lojalno thaj pakivalo bućari, sigo trubul ma kodo.
Te si e komunà šajipe palem te del ma buti, pe kodi situacija me phučhav tumen, te keren rodipa ke thaneske institucije thaj te bičhalen mange kopija kotar o lil.
Paćav kaj pe miro rodipe ka den ma sigo jekh mothovipe,
dendos signatura, e njamcikane baxtarimasa,
Georg Ujvari

Adresa:
Georg Ujvari
Reich autobahn camp in
Klausen-Leopoldsdorf N 1826
Soba/Kamera/ C
b[ei] Baden N[iederdonau]

(avimasko štampilo)
Halbturn Municipality
Avilo po  3. Oktobro 1941 berš Zl. A.F.

bimothavdo te ovel muklo
O anglošerutno
Steiner Michael

Credits

Rights held by: Georg Ujvari | Provided by: Collection Dr. Herbert Brettl (Halbturn/Austria) | Archived under: /

Playlist

Lesung des Selbstzeugnisses von Georg Ujvari
0.46 min
voi_00084
Lesung des Selbstzeugnisses von Georg Ujvari | Spoken word | Deutschland | 2018 | voi_00084
DE

Kontextualisierung

Von der Heimatgemeinde ausgeliefert an das Lager Lackenbach
Im Oktober 1941 richtete Georg Ujvari, geboren 1902, einen Brief an den Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Halbturn in der Hoffnung, dass dieser sich gegenüber der Lagerleitung von Lackenbach für eine Rückkehr einsetzen würde. Georg Ujvari hatte zusammen mit seiner 1901 geborenen Ehefrau Katharina im Viehhüterhaus der Gemeinde gewohnt und bis 1938 als Gemeindebediensteter gearbeitet. Sie wurden am 21. September 1941 in das sogenannte »Zigeunerlager Lackenbach« deportiert. Katharina Ujvari (Lagernummer 1827) wurde von dort als Zwangsarbeiterin zum Reichsautobahnbau nach Alland im heutigen Bundesland Niederösterreich überstellt, ihr Gatte Georg (Lagernummer 1826) in das Reichsautobahn-Lager in Klausen bei Leopoldsdorf, in der Nähe der niederösterreichischen Stadt Baden bei Wien gelegen.

Auch Katharina Ujvari schrieb an den Bürgermeister und bat darum, sie wieder zurückzuholen und dafür zu sorgen, dass ihr zurückgelassener Besitz unangetastet bleibt. Doch alle Hoffnung war vergebens: Der Bürgermeister Michael Steiner ließ die Anfragen mit dem Vermerk »unbeantwortet lassen« zu den Akten legen. Der noch ausstehende Lohn und der Besitz des Ehepaares wurden eingezogen, der Erlös wurde nach Abzug angeblicher Schulden nicht an die rechtmäßigen Eigentümer_innen, sondern an die Lagerleitung Lackenbach überwiesen. Georg und Katharina Ujvari wurden 1943 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.

Autor: Baumgartner, Gerhard

Quelle: Brettl, Herbert: »...ich glaube wir haben uns das nicht verdient...« Die Familie Ujvari zwischen Assimilierung, Ausgrenzung und Tod; in: Kropf, Rudolf; Polster, Gert (Hg.): Roma und Sinti von 1938 bis zur Gegenwart. Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland, Band 158, Eisenstadt 2016, S. 127-146

Herbert Brettl (2017)

Playlist

Lesung des Selbstzeugnisses von Georg Ujvari
0.46 min
voi_00084
Lesung des Selbstzeugnisses von Georg Ujvari | Spoken word | Deutschland | 2018 | voi_00084
DE

Details

übersetzer Titel
‘Served the municipality loyally and honestly for six years’
übersetzer Titel
»Šov berš kerdas buti ke komuna, lojalno thaj pherde ilesa«
Produktion
vor 3. Oktober 1941
Credits
Produktionsstab
  • Georg Ujvari (Autor_in) (Klausen-Leopoldsdorf, Deutsches Reich (Ostmark))
Objekttyp
Material
Technik
Objektnummer
voi_00024

Archivbereich

Verwandte Personen und Begriffe