»Wichtig für die Dokumentation des Roma-Aktivismus und der Roma-Geschichte.«
Pablo Vega
Synopse
Der Roma-Holocaust wird im deutschen Dokumentarfilm bereits in den 1970er Jahren in Arbeiten von Peter Nestler, Melanie Spitta und Katrin Seybold thematisiert. Viele der traumatischen Geschehnisse blieben jedoch unbeachtet, denn es dauerte sehr lange, bis der Pharrajimos (Roma-Genozid) zum Bestandteil offizieller Erinnerungspolitik wurde – man denke nur daran, wie sich die Fertigstellung des »Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas« in Berlin verzögerte. (An dieser Stelle sollten Ágnes Daróczi mit Miklós Jancsó, tätig in Ungarn, und Marika Schmiedt, wirksam in Österreich für die Verwendung des Films als Beitrag zur Erinnerungskultur erwähnt werden.)
Romani Rose, deutscher Sinto, Bürgerrechtsaktivist und Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, setzt sich unermüdlich dafür ein dass der Genozid auch international öffentliche Aufmerksamkeit erfährt. Sein persönliches Engagement als Überlebender wurde in einem Film dargestellt, den er 1994 gemeinsam mit dem Schriftsteller und Drehbuchautor Michail Krausnick realisierte. Durch die Wahl des Filmthemas wird sein persönlicher Standpunkt klar zum Ausdruck gebracht. Die Dokumentation basiert auf Archivmaterial, historischen Dokumenten und Zeitzeugenberichten, welche die Geschichte der vierzig Roma- und Sinti-Kinder erzählt, die in das katholische Kinderheim St. Josefspflege in Mulfingen (Baden-Württemberg) gebracht wurden, nachdem ihre Eltern in Konzentrationslager deportiert worden waren.
Die Kinder dienten in Mulchingen als Untersuchungsobjekte für eugenische Forschungen. Durchgeführt wurden die Experimente von der Rassenforscherin Eva Justin, der Assistentin von Robert Ritter an der »Rassenhygienischen Forschungsstelle«, die Material für ihre Doktorarbeit sammelte. Die Kinder wurden fotografiert, beim Spiel und bei der Arbeit gefilmt, sie wurden vermessen, klassifiziert und überwacht, um ihre »Asozialität« zu belegen. Im Mai 1944 wurden die Kinder nach Auschwitz deportiert; nur vier von ihnen überlebten.
Der Film zeigt sorgfältig kommentiertes Archivmaterial und rekonstruiert und reflektiert die Geschehnisse mithilfe dreier Überlebender: Emil Reinhardt, Amalie Schaich und Angela Wagner. Er wurde im Fernsehstil gedreht, mit einem realistischen Handlungsstrang. Aufnahmen von Zügen, Bahngleisen und den Originalschauplätzen schaffen eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, die Dreharbeiten werden so zu einem wichtigen vermittelnden Akt. Der wiederholt gezeigte Kreistanz der Kinder und die ahnungslosen oder verantwortungslosen, mitschuldigen katholischen Schwestern können als Metapher für die traumatischen Erinnerungen verstanden werden.
Filmausschnitte aus »Auf Wiedersehen im Himmel« werden im Block 13 des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau zusammen mit Porträts von Roma-Häftlingen der jüdischen Gefangenen Dina Gottliebova gezeigt. In dieser Umgebung wird St. Josefspflege zur Metapher, aber der Film selbst erklärt die Geschichte der Roma-Communities, indem er ihr Leid während des Zweiten Weltkriegs zeigt. Darüber hinaus dokumentiert der Film einen wichtigen Fall von Roma-Aktivismus.
»Auf Wiedersehen im Himmel« ist ein herausragendes Beispiel dafür, welche Bedeutung dem Medium Film für die Erinnerungskultur zukommt.
Rezeption
CIVIS Award 95, ARD
Nominiert für den Adolf-Grimme Preis
http://zentralrat.sintiundroma.de/download/3806
http://krausnick-info.de/site01.html (letzter Zugang am 20. Juli 2017)
http://blog.berlinbiennale.de/en/projects/civil-initiative-for-the-memorial-to-the-sinti-and-roma-murdered-under-the-national-socialist-regime-28727 (letzter Zugang am 18. Juli 2017)
https://collections.ushmm.org/search/catalog/bib65606
http://www.dhm.de/archiv/kino/cinemaromani.html#himmel
Pócsik, Andrea: ‘Vetített kép, festett kép. Az Auschwitz Múzeum roma kiállításának varázslatos szeglete’ [Screened Image, Painted Image: The Magic Corner of the Roma Exhibition in Auschwitz Museum], Amaro Drom, August 2009, S. 30–31