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Großbritannien: Clog Dancing, Howel Wood, Riley Smith und Damian Le Bas

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Riley Smith - Portrait of an English Gypsy Tap Dancer

Damian James Le Bas | Riley Smith - Portrait of an English Gypsy Tap Dancer | Non Fiction | Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland | 2014 | fil_00269 Rights held by: Damian James Le Bas | Licensed by: Damian James Le Bas | Licensed under: CC-BY-NC-ND 4.0 International | Provided by: Notown Productions (United Kingdom) | More at: Notown Productions

Großbritannien ist ein wichtiges Land in der Geschichte der Rom_nja. 1971 organisierte das International Gypsy Committee den ersten World Romani Congress in der Nähe von London. Dies war eine historische Wende für die Sinti und Roma, denn dort wurde die Roma-Flagge als nationales Emblem verwendet und die Hymne »Gelem, gelem« eingeführt.

Zudem gibt es dort eine reichhaltige Geschichte der Rom_nja, zu der auch Tanz, Musik und Kultur gehört. Die Sammlungen in dieser Sektion umfassen Howel Woods Clog Dancing und einen Film von Damian Le Bas, der Riley Smith und seinen Tanz präsentiert.

Jedes Kapitel präsentiert verschiedene Aspekte der unterschiedlichen Gruppen im Vereinigten Königreich.

Volkstanz und Clog Dancing

Der traditionelle Volkstanz hat Jahrhunderte überdauert, auch wegen der mündlichen Überlieferung und Weitergabe durch Vorführungen. In Wales ist der Tanz immer noch weitverbreitet, trotz der politischen Vergangenheit des Landes. Der walisische Volkstanz galt immer als der Tanz der einfachen Leute und lässt sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen. »Giraldus Cambrensis’ ›Itinerarium Cambriae‹ von 1188 gilt als die früheste schriftliche Aufzeichnung von Tanz in Wales« (Lile 1999, S. 7), der üblicherweise in Verbindung zu gesellschaftlichen oder saisonalen Ereignissen stand. Volkstanz und Volksmusik in Wales waren auch mit der Roma-Gemeinschaft verbunden. In ihrer Arbeit aus dem Jahre 2012 untersucht Yvonne Cheal sorgfältig die Gemeinschaften von »Gypsy, Roma und Traveller«1, und ihre Arbeit hilft dabei, eine Zeitleiste für die Ankunft der Gemeinschaft in Wales zu entwickeln. Die erste schriftliche Erwähnung von Roma in Wales stammt aus dem Jahr 1579:

»Die Roma, die nach Großbritannien kamen, sprachen mindestens zwei unterschiedliche Dialekte ihrer Sprache und verwendeten zwei unterschiedliche Bezeichnungen für sich, nämlich Romanichal und Kalé. Die Romanichal durchreisten vor allem England, und die Kalé entschieden sich schließlich für Wales. Der Dialekt der letzteren Gruppe wurde ›der Dialekt der Gypsies von Wales‹. Die Kalé reisten höchstwahrscheinlich über Spanien und Frankreich ein, durchkreuzten dann Cornwall, danach zur walisischen Grenze und in diverse Städte in Wales.«

Cheal 2012, S. 37

Die Existenz der Roma wurde also im späten 16. Jahrhundert in Wales nachgewiesen, aber im Land herrschten damals puritanische Vorstellungen, die auf viele Freizeitaktivitäten Auswirkungen hatten, unter anderem auch auf den Tanz. Während dieses religiös geprägten Zeitalters hatte der Tanz einen besonderen Platz in der Gesellschaft: Er war nicht mehr Teil von gesellschaftlichen Ereignissen und galt als »religiöse Sünde« (Lile 1999, S. 18). Trotz nachlassender Begeisterung für Volkstanz und Volksmusik blieb Clog Dancing dennoch eine Kunstform innerhalb der walisischen Gesellschaft.

Die Geschichte des Clog Dancing ist eine der spannendsten. Man nimmt an, dass Clogging bereits in den 1400er Jahren in England begonnen hat. Damals wurden die ursprünglich ausschließlich aus Holz gefertigten Schuhe gegen Lederschuhe mit Holzsohlen ausgewechselt. Nach 1500 gab es eine weitere Veränderung, nun wurden separate Holzstücke für Absatz und Spitze der Schuhe verwendet. Dieser frühe Tanz war weniger kompliziert als das spätere Clog Dancing.

Das Clog Dancing wird vor allem mit den Baumwollspinnereiern des 19. Jahrhunderts in Lancashire assoziiert, speziell mit Städten wie Colne. Hier wird erstmals der Begriff heel and toe, also Absatz und Spitze, verwendet, abgeleitet von den Änderungen an den Clogs oder Holzschuhen, die im 16. Jahrhundert eingeführt wurden. Bergleute in Northumberland und Durham waren auch an der Entwicklung des Tanzes beteiligt. Der unabhängige walisische Tänzer Angharad Harrop berichtet, dass das Clog Dancing die methodistische Erweckungsbewegung überlebte und die einzige kontinuierliche walisische Tanztradition ist. In ihrem Buch »A Step in Time: Folk Dancing in Wales« schreibt Emma Lile, dass es vor allem »Gypsy-Familien« zu verdanken sei, dass das Clog Dancing überlebt habe, da diese sich weniger von der Ablehnung religiöser Anführer beeinflussen ließen (Lile 1999, 34).

Howel Wood

Wie Yvonne Cheal anmerkt, gab es zahlreiche unterschiedliche Familiengruppen, die in England und Wales umherreisten, aber die Familie, die in Wales für ihre Dreisprachigkeit und ihr musikalisches Können berühmt war, war die Teulu (Familie) von Abram Wood und deren Nachkommen:

»Ursprünglich beschränkte jede Gypsy-Familie ihre Wanderschaft auf eine etablierte und genau definierte Route, die im Falle der Woods ursprünglich ganz Wales umfasst haben muss. Die Woods waren offenbar die erste Familie, die Wales als ihre Heimat betrachteten, aber als andere Familien ihnen folgten, neigten sie dazu, ihre Reisen auf das nördliche Wales zu beschränken. Es ist wahrscheinlich, dass Abram Wood und seine Familie über Somerset nach Wales kamen.«

Cheal 2012

Die wichtigste Quelle zu Abram Wood und seiner Familie stammt von Dr. John Sampson, einem Romanes-Forscher an der University of Liverpool. Er sprach fließend Romanes (gelernt von europäischen Rom) und hatte die Regeln und Sprachüberreste der englischen »Gypsies« erforscht. Die Familie Wood spielt eine wichtige Rolle für den Tanz in Wales, und eine Person im Besonderen, Howel Wood, wird im Archiv präsentiert.

Howel Wood ist vor allem für sein Clog Dancing berühmt, eine der ältesten noch fortgeführten Traditionen von Wales. Ursprünglich wurde der Tanz von Bauern, Schieferbrucharbeitern und Bergarbeitern in Pubs oder zu Hause aufgeführt. Dabei versuchten die Tänzer, sich gegenseitig in ihrer Geschicklichkeit, ihrer Sportlichkeit und mit ihren Tricks zu übertreffen – und bliesen dabei beispielsweise eine Kerze aus, sprangen über einen Besen oder machten Luftsprünge.

Für das Überleben dieser Tradition war Howel Wood aus dem walisischen Ort Bala entscheidend. Sein Talent ist im Film »The Last Days of Dolwyn« (Vereintes Königreich, 1949) festgehalten, in dem Richard Burton die Hauptrolle spielt. Wood inspirierte zahlreiche Clog Dancer in Wales, und sein Nachruf von 1967 beschreibt ihn als »Fiedler, Tänzer und Fischer«.

unknown | Howel Wood at Pant y Neuadd in 1948 | Photographie | Wales | 1948 | dan_00025 Licensed by: Amgueddfa Cymru – National Museum Wales (scan) | Licensed under: CC-BY-NC-ND 4.0 International | Provided by: Amgueddfa Cymru – National Museum Wales
unknown | Howel Wood dancing at Pant y Neuadd in about 1947 | Photographie | Wales | 1940 - 1950 | dan_00023 Licensed by: Amgueddfa Cymru – National Museum Wales (scan) | Licensed under: CC-BY-NC-ND 4.0 International | Provided by: Amgueddfa Cymru – National Museum Wales

Riley Smith und Damian Le Bas

Damian Le Bas, ein englischer auf Romanes schreibender Dichter, Schriftsteller und Filmemacher, wurde 1985 in eine große »Gypsy-Familie« geboren. Seine Muttersprache ist Romanes. Er studierte in Oxford Theologie und legte das beste Examen seines Jahrgangs ab. Er publiziert häufig Gedichte, Reportagen und Theaterstücke.

Zur Zeit schreibt er an dem Buch »The Stopping Places: A Journey Through Gypsy Britain«, das von seinem sich über ein Jahr hinziehenden Projekt handelt, die alten »Gypsy Halteplätze« zu finden; das Buch erscheint bei Chatto & Windus (2018). Le Bas wurde 2016 mit dem Royal Society of Literature Jerwood Award for Non-Fiction ausgezeichnet, zudem ist er unter der Woche Gast des Ted Hughes Arvon Centre in Hebden Bridge, Haus des kreativen Schreibens.

Riley Smith, ein englischer »Gypsy« aus Edenbridge in Kent, ist ein herausragender Tänzer. Bereits als Zehnjähriger begann er zu tanzen, was er von seinem Vater gelernt hatte, dessen Familie für ihren Tanz in ganz Großbritannien bekannt ist. Der Film »Riley Smith – Portrait of an English Gypsy Tap Dancer« (Vereinigtes Königreich, 2014) unter der Regie von Damian James Le Bas fängt das Erbe von Riley Smith ein. Der Film zeigt sehr detailreich, wie eine Familie dazu beigetragen hat, die Tradition des Tanzes der britischen Roma lebendig zu halten.

Damian James Le Bas | Riley Smith - Portrait of an English Gypsy Tap Dancer | Non Fiction | Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland | 2014 | fil_00269 Rights held by: Damian James Le Bas | Licensed by: Damian James Le Bas | Licensed under: CC-BY-NC-ND 4.0 International | Provided by: Notown Productions (United Kingdom) | More at: Notown Productions

Es ist uns gelungen, einen Kommentar von Damian Le Bas zum Film zu bekommen. Dieses Statement des Regisseurs wurde am 20. September 2017 im Vereinigten Königreich geschrieben:

»Ich habe Riley Smith bei einem Talentwettbewerb für Gypsies, Roma und Traveller kennengelernt. Dort waren fast ausschließlich Sänger_innen, ein paar Musiker_innen, und dann war da Riley. Niemand konnte glauben, wie gut er das Tempo hielt und wie schnell er tanzen konnte. Heutzutage tanzen immer weniger Roma und Traveller den traditionellen Stepptanz. Und plötzlich war da ein Teenager vor uns, der nicht nur einfach retro war – es sah so aus, dass er wahrscheinlich noch besser als seine Vorfahren tanzen konnte.

Riley war mit seinem Vater da. Ich konnte sehen, wie stolz der auf Riley und seinen Tanz war. Das war es, was mich wirklich interessiert hat. Englische Rom haben den Ruf, harte Kerle zu sein, und das trifft auch zweifellos auf viele zu. Rileys Vater sah wie ein harter Kerl aus, aber er freute sich eindeutig auch sehr daran, wie sein Sohn für das Publikum den Stepptanz aufführte. Als ich sah, wie er aufstand und klatschte und jubelte, als Riley den Wettbewerb gewann, kam es mir so vor, als wäre die Spannung zwischen Männlichkeit und Kunst nur eine Illusion.

Ich rief Riley an und plauderte mit ihm über die Möglichkeit, einen Film zu machen. Er sagte, er habe Lust dazu, und wollte wissen, ob es ein Film wie »Cherry Orchard« würde, den der Rom-Journalist Jake Bowers über Rileys Onkel beim Kirschenpflücken gemacht hatte. Ich sagte, ja, es könnte ein wenig so werden, und versicherte ihm, dass die Qualität gut sein würde. Als Kameraleute hatte ich zwei erfahrene Kurzfilmregisseure im Sinn – Charles Newland, auch ein Rom, und Phillip Osborne, ein alter Freund von mir und meiner Familie, von dem ich wusste, dass er das notwendige kulturelle Feingefühl hat. Also hatten wir ein tolles Team, und alle waren mit der Kultur sehr vertraut.

Ich hatte ein Bild im Sinn, wie Riley bei Sonnenuntergang unter einem Baum Stepp tanzt, aber es ist uns nicht gelungen, diese Einstellung aufzunehmen – ich habe die Idee erklärt, und er fand sie glaube ich ein bisschen merkwürdig. Aber ich finde, die Aufnahmen, die wir gemacht haben, sind stark. Mir gefällt besonders die Aufnahme von Rileys Vater, wie er seinen Enkel küsst, während wir im Hintergrund den Stepptanz hören. Es ist einfach ein Aspekt von Roma-Männern, der in der Öffentlichkeit nie zu sehen ist. Man könnte sagen, dass die Aufnahmen mit den Pferden stereotypisch sind, aber die Beziehung der Roma zu Pferden ist uns sehr wichtig und, so dachte ich, führt gut in das Thema ein.

Wir haben den Film für einen Hungerlohn gemacht: den Preis für unseren Diesel, was auch immer wir verloren haben, indem wir uns die Zeit genommen haben, um den Film zu machen. Rileys Mutter versorgte uns den ganzen Tag mit Tee, Kuchen und Stapeln von Sandwiches.

Ich hatte noch ein weiteres Motiv, diesen Film zu machen. Während meiner jahrelangen Tätigkeit als Journalist und manchmal auch Aktivist für die Rechte der Sinti und Roma hatte ich Kontakt mit Sinti und Roma aus vielen unterschiedlichen Ländern. Auf einer Ebene war das toll: Es erweiterte meinen Horizont und ließ mich erkennen, wie vielfältig unsere Gemeinschaft ist, und ich habe wunderbare Freundschaften geschlossen. Aber auf einer anderen Ebene war es deprimierend. Die Leute hinterfragten ständig die kulturelle Authentizität der britischen Roma, vor allem auf Grundlage unserer Hautfarbe, unserer Beherrschung von Romanes und der Tatsache, dass Musikalität keine zentrale Rolle in unserer Kultur zu spielen scheint. Es wurde angenommen, Osteuropa – möglicherweise neben Spanien – sei das Zentrum der Roma-Kultur, und dass unser Land eine verschlafene Provinz voller nicht authentischer ›Gypsies‹ sei. Wo immer ich auch hinschaute, wurden diese Argumente Lügen gestraft. Die Romungre-Roma in Ungarn sprechen kein Romanes, und in jeder Community, der ich begegnete, gab es hellhäutige, blauäugige Roma... Aber die Vorurteile waren immer noch da.

Mit Riley und seiner Familie sah ich die Chance, einige der Vorurteile von Leuten über unsere Gemeinschaft zu widerlegen. Im Gegensatz zu dem, was ich immer wieder gesagt bekomme, sind viele von uns dunkelhäutig und deshalb, wie auch durch unseren Akzent und den Romanes-Dialekt, den wir sprechen, leicht als Gypsies erkennbar. Und für manche von uns sind Musik und Tanz Teil einer uralten Lebensweise. In dieser Hinsicht spricht der Film für sich selbst, denke ich.

Der verantwortliche Kameramann/Cutter Phillip Osborne sagt es sehr treffend: ›Es ist eigentlich nur ein Film über den Stolz eines Vaters auf seinen Sohn.‹ Wir haben Rileys Vater ein paar der Aufnahmen noch am selben Tag gezeigt. Er strahlte uns an und sagte: ›Boah, das ist doch klar, oder?‹.«

Damian Le Bas, London, 20. September 2017