»Ich habe Riley Smith bei einem Talentwettbewerb für Gypsies, Roma und Traveller kennengelernt. Dort waren fast ausschließlich Sänger_innen, ein paar Musiker_innen, und dann war da Riley. Niemand konnte glauben, wie gut er das Tempo hielt und wie schnell er tanzen konnte. Heutzutage tanzen immer weniger Roma und Traveller den traditionellen Stepptanz. Und plötzlich war da ein Teenager vor uns, der nicht nur einfach retro war – es sah so aus, dass er wahrscheinlich noch besser als seine Vorfahren tanzen konnte.
Riley war mit seinem Vater da. Ich konnte sehen, wie stolz der auf Riley und seinen Tanz war. Das war es, was mich wirklich interessiert hat. Englische Rom haben den Ruf, harte Kerle zu sein, und das trifft auch zweifellos auf viele zu. Rileys Vater sah wie ein harter Kerl aus, aber er freute sich eindeutig auch sehr daran, wie sein Sohn für das Publikum den Stepptanz aufführte. Als ich sah, wie er aufstand und klatschte und jubelte, als Riley den Wettbewerb gewann, kam es mir so vor, als wäre die Spannung zwischen Männlichkeit und Kunst nur eine Illusion.
Ich rief Riley an und plauderte mit ihm über die Möglichkeit, einen Film zu machen. Er sagte, er habe Lust dazu, und wollte wissen, ob es ein Film wie »Cherry Orchard« würde, den der Rom-Journalist Jake Bowers über Rileys Onkel beim Kirschenpflücken gemacht hatte. Ich sagte, ja, es könnte ein wenig so werden, und versicherte ihm, dass die Qualität gut sein würde. Als Kameraleute hatte ich zwei erfahrene Kurzfilmregisseure im Sinn – Charles Newland, auch ein Rom, und Phillip Osborne, ein alter Freund von mir und meiner Familie, von dem ich wusste, dass er das notwendige kulturelle Feingefühl hat. Also hatten wir ein tolles Team, und alle waren mit der Kultur sehr vertraut.
Ich hatte ein Bild im Sinn, wie Riley bei Sonnenuntergang unter einem Baum Stepp tanzt, aber es ist uns nicht gelungen, diese Einstellung aufzunehmen – ich habe die Idee erklärt, und er fand sie glaube ich ein bisschen merkwürdig. Aber ich finde, die Aufnahmen, die wir gemacht haben, sind stark. Mir gefällt besonders die Aufnahme von Rileys Vater, wie er seinen Enkel küsst, während wir im Hintergrund den Stepptanz hören. Es ist einfach ein Aspekt von Roma-Männern, der in der Öffentlichkeit nie zu sehen ist. Man könnte sagen, dass die Aufnahmen mit den Pferden stereotypisch sind, aber die Beziehung der Roma zu Pferden ist uns sehr wichtig und, so dachte ich, führt gut in das Thema ein.
Wir haben den Film für einen Hungerlohn gemacht: den Preis für unseren Diesel, was auch immer wir verloren haben, indem wir uns die Zeit genommen haben, um den Film zu machen. Rileys Mutter versorgte uns den ganzen Tag mit Tee, Kuchen und Stapeln von Sandwiches.
Ich hatte noch ein weiteres Motiv, diesen Film zu machen. Während meiner jahrelangen Tätigkeit als Journalist und manchmal auch Aktivist für die Rechte der Sinti und Roma hatte ich Kontakt mit Sinti und Roma aus vielen unterschiedlichen Ländern. Auf einer Ebene war das toll: Es erweiterte meinen Horizont und ließ mich erkennen, wie vielfältig unsere Gemeinschaft ist, und ich habe wunderbare Freundschaften geschlossen. Aber auf einer anderen Ebene war es deprimierend. Die Leute hinterfragten ständig die kulturelle Authentizität der britischen Roma, vor allem auf Grundlage unserer Hautfarbe, unserer Beherrschung von Romanes und der Tatsache, dass Musikalität keine zentrale Rolle in unserer Kultur zu spielen scheint. Es wurde angenommen, Osteuropa – möglicherweise neben Spanien – sei das Zentrum der Roma-Kultur, und dass unser Land eine verschlafene Provinz voller nicht authentischer ›Gypsies‹ sei. Wo immer ich auch hinschaute, wurden diese Argumente Lügen gestraft. Die Romungre-Roma in Ungarn sprechen kein Romanes, und in jeder Community, der ich begegnete, gab es hellhäutige, blauäugige Roma... Aber die Vorurteile waren immer noch da.
Mit Riley und seiner Familie sah ich die Chance, einige der Vorurteile von Leuten über unsere Gemeinschaft zu widerlegen. Im Gegensatz zu dem, was ich immer wieder gesagt bekomme, sind viele von uns dunkelhäutig und deshalb, wie auch durch unseren Akzent und den Romanes-Dialekt, den wir sprechen, leicht als Gypsies erkennbar. Und für manche von uns sind Musik und Tanz Teil einer uralten Lebensweise. In dieser Hinsicht spricht der Film für sich selbst, denke ich.
Der verantwortliche Kameramann/Cutter Phillip Osborne sagt es sehr treffend: ›Es ist eigentlich nur ein Film über den Stolz eines Vaters auf seinen Sohn.‹ Wir haben Rileys Vater ein paar der Aufnahmen noch am selben Tag gezeigt. Er strahlte uns an und sagte: ›Boah, das ist doch klar, oder?‹.«
Damian Le Bas, London, 20. September 2017