»Selbst die Sinti und Roma wissen nichts über diese Fakten.«
Petro Rusanienko, filmmaker
03 Bruch mit der Vergangenheit/Revolution
»Sinti und Roma sprechen nicht über die Leiden der Vergangenheit. Das wäre bibaxt, es würde – so die alten Regeln – Unglück bringen.«
George Eli, Filmemacher, in: Searching for the 4th Nail
Bei der Konstruktion des kollektiven Gedächtnisses kommt Filmen eine besondere Rolle zu. Da sich die Geschichte der Sinti und Roma jedoch auf eine Kulturtradition der mündlichen – und nicht der schriftlichen – Überlieferung stützt, ist das Infragestellen der konventionellen Repräsentationen für die Neubildung einer Gemeinschaftsgeschichte von entscheidender Bedeutung. Wie Mac Ferro (1992) feststellte, können »historisch arbeitende Filmemacher_innen, dank der populären Erinnerung und mündlichen Überlieferung, der Gesellschaft eine Geschichte zurückgeben, die ihr von der Historiografie als Institution entzogen wurde.« Die Filme der Sektion »Bruch mit der Vergangenheit/Revolution« sind Teil einer emanzipativen Bewegung, die einen Bruch mit dem homogenen Bild der Minderheit sucht und die Diversität der Roma-Gemeinschaften und ihrer Individuen herausstellt. In diesem Sinne will die Filmsammlung des RomArchive »Wertschätzung und kulturelle Kompetenz« (Hans Blokland) fördern.
Die Sinti und Roma waren innerhalb der Geschichte unterschiedlichen Formen des Leidens ausgesetzt – von der Sklaverei über den Holocaust bis hin zu den Schwierigkeiten der heutigen Diskriminierung und Segregation. Diese Leiden sind vor allem in persönlichen Erinnerungen aufbewahrt, die innerhalb der Familie von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Die Außenwelt erreichen sie selten. Filmemacher_innen können die Geschichte aus der Sicht der Roma und Sinti neu schreiben, indem sie einen Raum für Selbstdarstellungen und für die Beschäftigung mit Themen schaffen, die lange als Tabu galten.
Es ist wichtig, die ideologischen und wirtschaftlichen Zwänge und die Machtstrukturen, die Filmproduktionen umgeben, zu betonen. Angesichts dieser Faktoren wird deutlich, dass die Autor_innen einen langen Weg vor sich haben, um das Mainstream-Publikum zu erreichen. Die von Familienerzählungen, Märchen und Mythen inspirierten Geschichten, die sie erzählen, sind erfrischend modern. Sie ermöglichen uns, die diversen Roma-Gemeinschaften vorzustellen und zu verstehen. Außerdem verweisen sie auf die große Motivation, negativen Darstellungen dieser Communities entgegenzuwirken.