»Ich habe oft gedacht, dass Harry Potter auch ein Roma-Junge hätte sein können. [...] Das geht aber nur, wenn man Geschichten mit Roma-Held_innen hat [...]«
George Eli, Filmemacher
02 Rollen
»Ich wollte Film als Mittel des Erzählens nutzen, um etwas zu verstehen und um der Stimme meiner Gemeinschaft eine Perspektive zu geben.«
Artur Conka, Filmemacher
In der Sektion »Rollen« werden historische Beispiele für die Darstellung von Sinti und Roma in Filmen als auch in anderen von Sinti und Roma geschaffenen Kunstwerken vorgestellt, die die stereotype Roma-Repräsentation infrage stellen und ihr mit Gegenbildern widersprechen. Durch die Neubewertung und Kontrastierung historischer Erzählungen und visueller Traditionen bieten diese neu entstehenden Werke Roma-Charakteren neu definierte Rollen im Kino. Die Filme in der Sektion »Rollen« sind entweder Selbstdarstellungen oder Filme, denen es gelingt, Roma-Gemeinschaften und ihr Leben mit einer gewissen Nähe und Tiefe zu porträtieren.
Von Anbeginn der Filmgeschichte wurden Sinti und Roma stereotyp dargestellt. Von negativen Roma-Charakteren aus der Stummfilmzeit (die oft von weißen Schauspieler_innen gespielt wurden) über exotisierte Darstellungen von Romnja und Sintize im Kino der 1950er und 1960er Jahre bis zu den Klischees der Walt-Disney-Filme (wie »Der Glöckner von Notre Dame«) war die Darstellung der Sinti und Roma immer schon von Vorurteilen durchsetzt.
Im Widerspruch dazu haben die Pionier_innen der kinematografischen Roma-Selbstrepräsentation die historische Darstellung der Sinti und Roma kritisch reflektiert und sie in eine neue Richtung gelenkt. Obwohl diese neue Richtung sich in unterschiedlichen Filmen artikuliert, die jeweils distinkten Genre- und Formprinzipien folgen, hält sie an einer grundlegenden Philosophie des Filmemachens fest: Um ein Selbstbild zu schaffen und zu vermitteln, müssen persönliche Geschichten existieren – und Roma-Gemeinschaften müssen diese Geschichten mit ihren eigenen Stimmen erzählen.
Durch Filme können die orale Kultur und die rhetorischen Stilmittel zurückgebracht werden, die charakteristisch für Roma-Gemeinschaften sind und seit Jahrhunderten zur Tradierung der Sprache und der Geschichte der Sinti und Roma beitragen. Die so entstehenden widerständigen Narrative nutzen dabei neue Erzähltechniken. Sinti und Roma werden in komplexen, alltäglichen Situationen portätiert, anhand derer die Vielfältigkeit der Roma-Identitäten aufgezeigt werden kann. Die Charaktere werden nicht nur anhand ihrer ethnischen Zugehörigkeit dargestellt, sondern auch als aktivistische Frauen, als Kinder, die studieren wollen, als kreative Männer oder als hart arbeitende Land- und Stadtbewohner_innen.
Roma-Bürger_innen wurde in vielen Bereichen Freiheit und Demokratie verweigert. Filme sind ein Medium der Kritik an dieser Verweigerung. Durch das Filmmedium können die unveräußerlichen Freiheitsrechte artikuliert werden, die das soziale Gedächtnis vieler Autor_innen (Roma-Autor_innen einbegriffen) bestimmen. Die verschiedenen Rollen, mittels derer Sinti und Roma am Ende des 20. Jahrhunderts (oft in ihren eigenen Filmen) dargestellt wurden, zeigen eine allmähliche Verbesserung ihrer Repräsentation. Dennoch sehen sich die Kreativen weiterhin mit institutionellen Herausforderungen konfrontiert, da ihre Stimmen vom Mainstream noch immer nicht wahrgenommen werden.