Roma-Literatur in Ungarn: Ein Überblick

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Zoltán Beck

Menyhért Lakatos (1926–2007)

Die Anfänge der ungarischen Roma-Literatur fallen in die Epoche der spätmodernen Belletristik. Menyhért Lakatos publizierte 1975 den Roman »Füstös képek« (wörtlich ›Rauchige Bilder‹) und war damit einer der ersten Roma-Autor_innen, deren Werke zum Kanon der ungarischen Literatur gezählt wurden.

Der Protagonist Peter erzählt die Geschichte einer Roma-Gemeinschaft im südlichen Ungarn in einer Zeit zwischen dem Beginn des 20. Jahrhunderts und dem Holocaust. Peter gehört selbst dieser Gemeinschaft an und nimmt somit eine Innenperspektive ein. Im Unterschied zu den anderen Mitgliedern seiner Gruppe unterhält er aber zusätzlich Kontakte zur Außenwelt, zur Welt der Nicht-Rom_nja, wodurch er auch die Perspektive von außen kennt. In Deutschland erschien der Roman 1978 unter dem Titel »Bitterer Rauch« und in England 2015 als »The Color of Smoke«.

Lakatos’ spätere Werke sind ihrer Struktur nach fragmentarisiert. In der Auswahl von Kurzgeschichten mit dem Titel »Csandra szekere« aus dem Jahr 1981 (auf Deutsch 1984 unter dem Titel »Csandras Karren« publiziert) finden sich Texte, in denen mythische und realistische Elemente ineinanderwirken. Die Kurzgeschichte »Egy Körös menti köztársaságról« (wörtlich ›Über die Republik von Vésztő‹) beispielsweise ist sowohl eine mythische Sage als auch eine realistische Prosaerzählung. Der Inhalt der Geschichte wurde mit der Zeit zu einem Topos der ungarischen Literatur. Der 2014 veröffentlichte Roman »A mi kis köztársaságunk« (wörtlich ›Unsere kleine Republik‹) von László Márton behandelt dasselbe Thema. In einem Interview bezieht sich Márton ausdrücklich auf Lakatos. 2016 kam ein Film in die Kinos, der auf den Kurzgeschichten aus »Csandra szekere« beruht.

Das literarische Universum von Menyhért Lakatos ist einerseits durch einen von soziografischen Details bestimmten Realismus geprägt, zum Beispiel »Akik élni akartak« (wörtlich ›Die leben wollen‹, 1982), andererseits von Mythen, Sagen und magischen Geschichten wie »Hosszú éjszakák meséi« (wörtlich ›Geschichten der langen Nächte‹, 1979).