Die mazedonische Sängerin Esma Redžepova (1943–2016) trat über 50 Jahre in Europa, Nordamerika, Asien und im Nahen Osten auf und begeisterte stets ihr Publikum. Vom amerikanischen National Public Radio als eine der »50 großen Stimmen« gefeiert und 1976 als »Königin der Roma-Musik« beim Welt-Roma-Kongress in Indien gekrönt, war Redžepova die vielleicht berühmteste Roma-Sängerin der Welt. Sie gab Tausende von Konzerten, viele davon waren Benefizkonzerte für humanitäre Anliegen. Ihr Ensemble spielte auf Plätzen, in Stadien und Opernhäusern, für Dorfbewohner_innen ebenso wie für führende Persönlichkeiten aus der Politik.
Esma Redžepova
Esma Redžepova war die erste Roma-Musiker_in im damaligen Jugoslawien, die bei Konzerten und Plattenaufnahmen für ein Massenpublikum auf Romanes sang, und die war die erste mazedonische Frau, die im Fernsehen auftrat. Sie produzierte über 500 Lieder und Dutzende von Platten, von denen mehrere im früheren Jugoslawien »Goldene Schallplatten« wurden. Zu ihren Platten gehören »Songs of A Macedonian Gypsy« (Monitor), »Čhaje Shukarije« (World Connection) und »Gypsy Carpet« (World Network).
Esma Redžepova, geboren im Roma-Viertel Topaana, Skopje, in der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien, war eines von sechs Kindern in einer armen muslimischen Familie; im Zweiten Weltkrieg hatte ihr Vater ein Bein verloren und arbeitete danach als Schuhputzer. Im Alter von elf Jahren lernte sie ihren späteren Ehemann Stevo Teodosievski kennen, einen mazedonischen Akkordeonspieler und Arrangeur, der ihr Talent erkannte und von ihren Eltern die Erlaubnis bekam, sie als Studiokünstlerin (und nicht als Cafésängerin, was nicht als seriös gegolten hätte) auszubilden. Mit dreizehn war Redžepova bereits mit ihrem Lied »Čhaje Sukarije« (schönes Roma-Mädchen) zu einem Star geworden.
Esma Redžepova und das Ensemble Teodosievski zogen 1961 von Mazedonien nach Serbien, um die dortigen besseren Möglichkeiten zu nutzen und den Vorurteilen gegen Sinti und Roma in der Musikindustrie zu entkommen.
Teodosievskis Vision und Redžepovas Können schufen die perfekte Kombination von Roma-Exotismus und Kultiviertheit. Sie komponierten Songs, die dann in Bühnenchoreografien mit Tanz, Kostümen und dramatischen Szenarien verwandelt wurden und die die überwältigende emotionale Bandbreite und das dramatische Potenzial von Redžepovas Stimme bestens zur Geltung brachten. Das Paar heiratete 1968 (eine der ersten »Mischehen« in Mazedonien und sie arbeiteten bis zu Teodosievskis Tod 1997 eng zusammen. Ihr musikalisches Erbe wurde von ihren Kindern fortgeführt. Teodosievski und Redžepova verwandelten ihr Zuhause in eine Musikschule, in der 47 Kinder ausgebildet wurden, viele von ihnen aus armen Familien. Ihr Adoptivsohn, der Arrangeur und Komponist Simeon Atanasov, führt ihr Erbe fort.
Über all die Jahre praktizierte das Ensemble einen eklektischen Internationalismus: Musik aus unterschiedlichen Regionen des damaligen Jugoslawiens wurde ebenso Teil ihres Repertoires wie Musik aus benachbarten Balkanländern und darüber hinaus. Esma Redžepova, die auf mehr als fünfzehn Sprachen singen konnte, darunter alle Balkan- und osteuropäischen Sprachen sowie Hebräisch, Deutsch und Hindi, verkörperte die Vielfalt, Innovation und Weltoffenheit der Roma-Künstler_innen. Ihre Lieder – manche davon handelten von tatsächlichen Ereignissen – erzählen von den Freuden und Kümmernissen der Liebe, beispielsweise in arrangierten Ehen, von der Armut der Roma oder vom Trennungsschmerz der Frauen von ihren Männern, die zum Arbeiten vom Balkan ins Ausland gehen mussten.
Redžepova unterstützte zahllose Interessengruppen und Förderprogramme für Frauen und benachteiligte Bevölkerungsgruppen, beispielsweise Menschen mit Behinderung und Geflüchtete. Sie war Ehrenpräsidentin des mazedonischen Roten Kreuzes; die Sorority of Roman Women proklamierte sie als »Frau des Milleniums«. 2002 wurde Redžepova als UN-Botschafterin für Geflüchtete in Mazedonien nominiert, in gleichen Jahr wurde sie zum zweiten Mal für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. 2010 wurde sie mit dem mazedonischen Verdienstkreuz ausgezeichnet und 2013 wurde sie zur mazedonischen Nationalkünstlerin ernannt.
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