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Alexander Marković

Roma-Blaskapellen im südöstlichen Serbien – ein Überblick

Im Südosten Serbiens wird das Genre der Blasmusik von Roma-Musikern dominiert. Die professionelle Auftrittsmusik war für Rom_nja über lange Zeit eine der einträglichsten und angesehensten Möglichkeiten, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, da ihre Marginalisierung durch die Mehrheitsgesellschaft ihnen den Zugang zu vielen Berufsfeldern erschwerte.

Blasmusiker sind ein tief eingewobener Bestandteil der soziokulturellen Textur von Orten wie Vranje in Serbien. Für Serb_innen und Rom_nja aus diesem Teil des Landes wären größere Familienfeiern, etwa Hochzeiten, ohne Blasmusik undenkbar, denn die Musik ist mit wichtigen Ritualen und kulturellen Traditionen verknüpft. Roma-Blasmusiker_innen sind unverzichtbar bei den Zeremonien, die Ehen besiegeln oder verwandtschaftliche Netzwerke erweitern und die Identität der Gemeinschaft durch gemeinsame kulturelle Praktiken von Musik, Tanz und Ritualen prägen.

Der legendäre Bakija Bakić und sein Ensemble spielen auf einer Roma-Hochzeit. Vranje, Serbien, Mitte der 1980er Jahre

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Nenad Mladenović und seine Kapelle spielen den Svekrvino Kolo, einen langsamen und gefühlvollen Ritualtanz im 7/8-Takt (3+2+2), den die Mutter des Bräutigams zu Beginn einer Roma-Hochzeit darbietet. Die Musiker_innen dehnen die Takte oder verlangsamen leicht das Tempo, um die Intensität zu erhöhen. Vranje, Serbien, Juli 2011

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Dejan Avdić und sein Orchester spielen den Svekrvino Kolo im für Vranjska Banja typischen Stil bei einer Roma-Hochzeit. Vranjska Banja, Serbien, Juli 2010

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Dejan Avdić und sein Orchester spielen ein čoček im 9/8-Takt (2+2+2+3) zur Begleitung einer Hochzeitsprozession, während derer die Feiernden die Straße entlang tanzen. Vranjska Banja, Serbien, April 2010

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Jovica Ajdarević und sein Orchester spielen den Svekrvino Kolo auf einer serbischen Hochzeit. Die Musiker_innen bieten für Serb_innen die gleiche Melodie dar wie für Rom_nja, jedoch in schnellerem Tempo und mit weniger kunstvoller melodischer Improvisation. Preševo, Serbien

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Jovica Ajdarević und sein Orchester spielen das populäre Lied »Svadba, svadba« (›Hochzeit, Hochzeit‹) für den Bräutigam bei einer serbischen Hochzeit. Dieses Genre der »neu komponierten Volksmusik« basiert hauptsächlich auf Elementen der zentralserbischen Volksmusik. Der schnelle, gerade Takt ist lebendig und der Text kommentiert das Thema Hochzeit auf scherzhafte Weise. Preševo, Serbien, August 2011

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Jovica Ajdarević und sein Orchester begleiten den rituellen »Geschenketanz« für wichtige Gäste einer serbischen Hochzeit mit einer Suite von Liedern im 7/8-Takt. Das Stück »Zapevala sojka ptica« (›Die Nachtigall begann zu singen‹) stammt aus dem Kosovo und bezieht sich auf die Geschenke für eine unwillige Braut. Preševo, Serbien, August 2011

Roma-Blasmusiker waren wichtige Kulturvermittler im musikalischen Leben Südostserbiens. Vermutlich während ihres Einsatzes in den Balkankriegen, also circa 1912/13, machten sich serbische Roma erstmals im größeren Stil mit Blasinstrumenten vertraut. Nach Hause zurückgekehrt, schlossen sie sich zu Ensembles zusammen, um Volksmusik aus der Region darzubieten. Auf diese Weise haben Roma-Blaskapellen ein Repertoire aus dem 19. Jahrhundert bis heute bewahrt und spielen es nach wie vor bei Feiern in Vranje.

Roma-Blaskapelle beim Hausheiligenfest (Slava) der Familie Crevarci. Vranje, Serbien, 1920er Jahre

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Roma-Blasmusiker_innen unterhalten eine Gruppe serbischer Stadtbewohner_innen bei einem Ausflug am Maifeiertag. Vranje, Serbien, 1. Mai 1938

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Zugleich zeigen sich die Musiker_innen beeindruckend innovativ. So adaptieren sie immer wieder Hits aus der globalen Popmusik oder aus Filmen; um daraus Tanzstücke zu machen, arbeiten sie sie gemäß der Ästhetik und den Grooves um, die sich ihr serbisches und ihr Roma-Publikum wünscht.

Zunehmend sind Roma-Musiker_innen auch bei einem nationalen und internationalen Publikum gefragt, das sich für den sogenannten »Balkan Gypsy Brass« begeistert, und machen auf diese Weise den Sound der serbischen Rom_nja weithin bekannt. Sie sind die Stars des international renommierten jährlichen Blaskapellen-Festivals im serbischen Guča und erhalten dort oft die höchsten Auszeichnungen. Die prämierten Bands veröffentlichen erfolgreiche Alben, treten in Fernsehshows auf, tragen zu Filmmusiken bei und gehen auch international auf Tournee.

Nenad Mladenović und sein Orchester spielen einen čoček beim Wettbewerbsfinale des nationalen serbischen Blaskapellen-Festivals. Guča, Serbien, August 2009

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