Noch entscheidender ist, dass jedes Verhalten, das dem »heißblütigen« Stereotyp nicht entspricht oder das von etwas anderem als den Blumen, Bergen und »ethnischen Genen« der Natur hervorgerufen wurde, heruntergespielt oder ignoriert wird.
So muss für Festivalveranstalter_innen und Autor_innen von CD-Beiheften Roma-Musik oft »feurig«, »wild« und »leidenschaftlich« sein. Sehr häufig versäumen sie es jedoch, introspektive, intellektuelle, philosophisch anspruchsvolle, sorgfältig arrangierte oder mit aus theoretischer Sicht fortschrittlicher Harmonik komponierte Roma-Musik zu präsentieren, zu erwähnen, geschweige denn zu beschreiben oder zu analysieren.
Selbst langatmige und detailreiche Beschreibungen von Kunst oder Leben der Sinti und Roma (wie zum Beispiel das Werk von Marek Jakoubek) reduzieren nicht selten eine gesamte Gruppe von Menschen auf einen Archetyp, der fast jeder Entsprechung in der Wirklichkeit entbehrt.
So sind Menschen manchmal überrascht, wenn sie erfahren, dass ein so formales und institutionalisiertes Gebiet wie die abendländische Kunstmusik (die »klassische« Musik) nicht nur von realen und imaginären Roma-Themen durchzogen ist, sondern auch von einer großen Anzahl wirklicher Sinti und Roma in Konzertkleidung geprägt wurde und wird.