Pavlína Matiová wurde in eine musikalische Familie in Roudnice nad Labem (Tschechische Republik) geboren. Schon ihre Eltern und Großeltern waren aktive Musiker_innen: Zum Beispiel trat Matiovás Großmutter als Saxofonistin in der Band ihres Vaters bei Tanzveranstaltungen auf. Pavlína Matiová und ihre Schwester Jitka schlossen am Prager Konservatorium ihr Gesangstudium ab und sind beide professionelle Musikerinnen.
Gespräch mit Pavlína Matiová Januar 2018
»Ich finde, das ist die beste Art der Pädagogik – durchs Spielen lernen.«
Inka Jurková: Warum haben Sie sich auf den Gesang spezialisiert anstatt auf das Klavier, obwohl Sie es so gerne spielen?
Pavlína Matiová: Ich dachte, als Pianistin würde ich mir meinen Lebensunterhalt nicht verdienen können. Außerdem hatte ich mich entschieden, ein »Gewerbe« zu erlernen, und so schloss ich die Hochschule mit einem Diplom in Pädagogik ab. Aber in meinem vierten Jahr fing ich am Konservatorium an, also war ich ein Jahr lang an zwei Hochschulen zugleich.
IJ: Und wie kamen Sie in Ihrem vierten Studienjahr zu diesem Entschluss? War etwas Besonderes passiert?
PM: Ich hatte einen Sommerkurs bei der Roma-Sängerin Ida Kelarová belegt, wo ich erfuhr, dass in Prag ein neues Konservatorium eröffnet werden sollte. Bei meiner Bewerbung machte ich mir keine großen Hoffnungen, aber sie nahmen mich an. Eigentlich hatte ich geplant, in Ústí nad Labem an die Universität zu gehen. Wäre das Konservatorium nicht gegründet worden, wäre ich heute wahrscheinlich Lehrerin in Ústi.
IJ: Vor fünf Jahren inszenierten Sie ein Musical mit Kindern von einer Sonderschule. Bei Ihren Abschlüssen in Pädagogik und am Konservatorium klingt das nach einer perfekten Synthese Ihrer Kompetenzen.
PM: Das ist es, was mich wirklich erfüllt – ich bin mit Hingabe Lehrerin. Es begann, als ich in der Stadt Slaný Romanes unterrichtete. Das war ein Zwei-Jahres-Job, und am Ende stand ein Musical, das ich mit den Kindern dort einstudierte. Ich finde, das ist die beste Art der Pädagogik – durchs Spielen lernen, das funktioniert. Unterrichtet habe ich auch am Prager Konservatorium, dort arbeitete ich fünf Jahre lang.
»Ich halte die Roma-Musik für eine besonders gesunde Art des Singens.«
IJ: Welcher Musikstil liegt Ihnen am nächsten?
PM: Traditionelle Roma-Musik! Die kann ich zwei Tage am Stück singen, ohne dass es körperlich anstrengend wird – anders als zum Beispiel klassische Musik. Ich halte die Roma-Musik für eine besonders gesunde Art des Singens, sie kostet mich fast keine Kraft.
IJ: Sie leiten auch einen gemischten Kinderchor. Wie kam es dazu?
PM: Letztes Jahr standen die Feiern zum Internationalen Roma-Tag unter dem Motto »Zusammen können wir es«. Unser Regisseur David Tišer [Gründer des sozial-progressiven Theaters Ara Art] hatte die Idee, einen Chor von Roma- und Nicht-Roma-Kindern zusammenzustellen, die gemeinsam die Roma-Hymne singen würden. Ich würde gerne auch noch einen Erwachsenenchor aus Rom_nja und Tschech_innen gründen, aber das ist Zukunftsmusik ...
IJ: Was nehmen Sie persönlich aus der Arbeit mit Kindern mit?
PM: Sie bringt mir Freude und Energie. Natürlich ist es wahr, dass sie manchmal auch Kraft kostet, vor allem beim Einzelunterricht. Aber wenn ich mit einer Kindergruppe arbeite, bin ich für den Rest des Tages voller Energie.
IJ: Glauben Sie, die theoretische Ausbildung, die sich an Musikhochschulen erwerben lässt, ist wichtig?
PM: Ja, sie ist wichtig für Menschen, die sich wirklich der Musik widmen wollen, auch für die, die Musik unterrichten wollen. Und mir hilft die Theorie sehr, wenn ich etwas Neues einstudiere, denn sie verkürzt die Übungszeit.
IJ: Was ist bisher Ihr größter Erfolg gewesen?
PM: Das »Auschwitz Requiem«. Ich denke oft dankbar an die Aufführung zurück, auch wenn die Proben lang und schwierig waren.
IJ: Woran arbeiten Sie zurzeit?
PM: Ich mache weiterhin Projekte im Bereich kreative Bildung. Und ich spiele in drei Musicals mit, zusätzlich zu den Aufführungen am Theater Ara Art. Ich sage gerne, dass ich das Singen liebe und dass das Theater meine Leidenschaft ist. Musicals verbinden beides, und es ist eine unglaublich schöne Arbeit, für zwei oder drei Stunden pro Aufführung jemand anderes zu werden.
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