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Petra Gelbart

Ein Lied von Auschwitz

Der Roma-Dichter, Maler und Gelehrte Károly Bari schreibt:

»Der Teil der Roma-Folklore, der den Holocaust im Gedächtnis der Bevölkerung wachhält [...], beschwört die vielgestaltigen Gesichter des Hasses herauf wie eine Abfolge mahnender Puppen und nennt die Vorurteile beim Namen, deren Tentakel all die dunklen Bildnisse wieder und wieder neu zum Leben erwecken.«

Wenn es in der vormaligen Tschechoslowakei ein Lied gibt, dass diese Idee Baris genau verkörpert, ist es »Aušvicate hi kher baro« (›In Auschwitz steht ein großer Bau‹). Aufnahmen dieses Liedes haben mal zwei, mal sechs oder sieben Strophen. Der Text schildert die Arbeitsbedingungen in dem Konzentrationslager und die Rolle der Blockältesten – und er deutet eine Vergewaltigung an.

Etwa 90 Prozent der Roma und Sinti, die zur Beginn des Zweiten Weltkriegs in der heutigen Tschechischen Republik lebten, wurden in Konzentrationslagern ermordet, und überlebende Angehörige oder Nachkommen halten sich oft bis heute bedeckt. Das RomArchive verfügt über drei der wenigen erhaltenen Feldaufnahmen von »Aušvicate hi kher baro«, darunter diese Kurzfassung, die Barka Pelcová in Prag aufnahm:

no-media

»Aušvicate hi kher baro« (›In Auschwitz steht ein großer Bau‹), gesungen von Barka Pelcová.

Aušvicate hi kher baro

Aušvicate hi kher baro

Odoj bešel mro pirano

Ej, bešel, bešel, gondolinel

The pre mande pobisterel

Khatar Ruska bavlal phurdel

Mro pirano už man mukhel

Mukhel, mukhel pharipnaha

Kaj naphenďom ačh Devleha

Übersetzung

In Auschwitz steht ein großer Bau

Darin sitzt mein Liebster

Oh, er sitzt und sitzt und schaut

und mich vergisst er

Aus Russland weht ein Wind

Mein Liebster verlässt mich

Er geht dahin, dahin mit schwerem Herzen

Denn ich konnte ihm nicht Lebewohl sagen

Eine längere Version sang Margita Nová in der Region Hranice in Mähren.

Barka Pelcová überlebte den Holocaust nur, weil einer der Wärter sich in eine Verwandte von ihr verliebte. Dieser Wärter entließ mehrere Familienmitglieder aus einem Sammellager, wo sie bis zum Weitertransport nach Auschwitz eingesperrt bleiben sollten. Der Familienlegende zufolge wurde er für seine barmherzige Tat später von der SS erschossen.

»Sie haben meine ganze Familie verbrannt – also lasst mich auch verbrennen.«

Barka Pelcovás Vater und Bruder überlebten ein Nebenlager von Mauthausen. Der Vater legte im Allgemeinen großen Wert auf die Einhaltung der Gesetze und Bräuche seiner Roma-Gruppe, und diese verboten unter anderem die Kremation. Doch nach dem Holocaust hörte man ihn immer wieder sagen: »Sie haben meine ganze Familie verbrannt – also lasst mich auch verbrennen.« Diesem Wunsch gemäß bewahrten seine Kinder die Asche ihres Vaters in einer Urne auf. Ein Symbol der äußersten Verwüstung, das die Familie bis heute in Ehren hält.

Rights held by: Petra Gelbart (text) — Michael Ebmeyer (translation) | Licensed by: Petra Gelbart (text) — Michael Ebmeyer (translation) | Licensed under: CC-BY-NC 3.0 Germany | Provided by: RomArchive