In der Tat spiegelt die »Gypsy music«, wie sie auf Musikfestivals im Vereinigten Königreich gespielt wird, nicht unbedingt die lokale Traveller-/Romanichal-Identität wider. Das Festival »The 1000 Year Journey«, das im Jahr 2000 am Londoner Barbican stattfand, wurde folgendermaßen beworben: »Nimm Kontakt zu deinem inneren Gypsy auf. [...] Komm und fühle die Hitze eines Zigeunerfeuers.«
Das Festival, von Expert_innen für Weltmusik organisiert, stellte vor allem osteuropäische Musikgattungen und Flamenco vor. Dem Journalisten und Rom Jake Bowers zufolge wurden keine lokalen Roma-/Traveller-Gruppen konsultiert; die Organisator_innen gerieten in die Falle des »Exotismus« und stellten »Gypsies« dar, als gehörten sie in eine andere Zeit und an einen anderen Ort.
Die exotische Darstellung von »Gypsies« bei solchen Festivals als immanent musikalisch, wild und leidenschaftlich verstärkt verbreitete Ideen über »Authentizität«, die dazu führen können, dass Travellers und Romanichals im Vereinigten Königreich und in Irland als »keine echten Gypsies« abgetan werden. Dies kann ernsthafte Konsequenzen haben. Wie der Professor für Roma-Studien Thomas Acton anmerkt, wurzelt Rassismus gegenüber Travellers und Romanichals häufig in der Wahrnehmung, dass diese Gruppen mythischen Stereotypen von »echten Gypsies« nicht genug entsprächen.
Die von irischen und schottischen Travellers und britischen Romanichals aufgeführten Lieder fallen für die meisten Gorjas nicht in die Kategorie »easy listening«. Aber für die englische Folksängerin und Sammlerin Shirley Collins sind sie »total faszinierend«.
Der britische Folkkünstler Martin Carthy schreibt im Begleitheft zu seiner CD »Signs of Life« (1998), dass die von Mike Yates 1974 aufgenommenen Field Recordings des englischen Romanichal Levi Smith »alles infrage gestellt haben, wovon ich dachte, das es musikalisch sinnvoll sei, und es veränderten«.
Die englische Folksängerin Norma Waterson ist auch eine Bewunderin des Gesangs der Brazils und von Wiggy Smith, Duncan Williamson, Jasper, Minty und Levi Smith, Mary Ann Haynes, Phoebe Smith und Belle Stewart, um nur einige der Travellers und Romanichals zu nennen, die von Mike Yates und anderen Forscher_innen aufgezeichnet wurden.
Es ist eine Ironie, dass ethnische Gruppen, die so häufig aus offiziellen Darstellungen von britischem oder irischem Leben ausgeschlossen werden, die Träger eine Folktradition wurden, die in der Gorja-Bevölkerung durch Urbanisierung, Industrialisierung und Modernisierung fast zum Verschwinden gebracht wurde.