Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma

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Die Geburt der französischen Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma

Jean-Pierre Liegeois

Abstract

Historischer und kultureller Überblick

Die erste schriftliche Erwähnung von Sinti und Roma in Frankreich beschreibt die Ankunft einer Gruppe im Ort Chatillon en Dombes, nordöstlich von Lyon, im Jahr 1419.1 Nachdem sie mit dem Nötigsten versorgt worden war, zog die Gruppe zunächst weiter in die Nähe der Stadt Mâcon, die sie ebenfalls hinter sich ließ. Im Oktober desselben Jahres erlaubte die südfranzösische Stadt Sisteron Familien, ihre Zelte auf den Feldern aufzuschlagen, und versorgte sie ebenfalls mit Lebensmitteln.2

In Frankreich werden ethnische Minderheiten nicht offiziell anerkannt oder statisch erfasst; es existieren daher nur Aufzeichnungen über »Nomad_innen«, die bürokratisch mit Bezeichnungen wie Gens du voyage zusammengefasst werden. Eine konkrete soziale oder soziologische Definition wird nicht vorgenommen. Die EU geht davon aus, dass in Frankreich heute circa 300.000 bis 400.000 Sinti und Roma leben.3 Die Unterschiede der verschiedenen Gruppen in Frankreich – unter anderem Roma, Manouches, Sinti, Gitans (Spanische Roma) – beruhen auf all jenen historischen Gründen und Gegebenheiten, die Populationen und Gruppen eben dazu bringen, zu migrieren, sei es nun in andere Regionen und gar auf andere Kontinente. Sprachliche und kulturelle Vielfalt ist das Produkt unterschiedlicher Umwelteinflüsse.

Es lassen sich zwei Konzepte heranziehen, um zu verdeutlichen, wie Gesellschaften sich organisieren und dennoch Unterschiede beibehalten können: Da wäre zunächst das Prinzip des »Mosaiks«. Zwar hat jedes Element seinen eigenen Charakter und unterscheidet sich von den angrenzenden Elementen, verstanden werden aber können die einzelnen Teile nur in Bezug auf das große Ganze. Es gibt also eine Einheit in der Vielfalt. Das zweite Prinzip wäre das des »Kaleidoskops«: Hier werden verschiedene Teile durcheinandergewürfelt und innerhalb der Gesamtkomposition hin- und herbewegt – die Verbindungen zwischen ihnen bleiben dennoch bestehen.4

Eine der größten Erschütterungen, die Geburt einer internationalen Roma-Bewegung, nahm von Frankreich seinen Ausgang: Die Keimzelle des »First World Romani Congress«, der 1971 in London stattfand, befindet sich in den Vorstädten von Paris. Frankreich liefert so gesehen eine zentrale Fallstudie, wenn es darum geht, die Bildung lokaler, nationaler und später dann internationaler Organisationen ebenso zu verstehen wie die zentrale Rolle der Synergien zwischen ihnen. Denn sie haben letztlich eine Politik möglich gemacht, die für viele Generationen schlicht nicht vorstellbar war.5

Ioana Constantinescu | Interview with Grattan Puxon. First World Romani Congress | Non Fiction | Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland | 2017 | rom_30045_1 Rights held by: Ionana Constantinescu / Thomas Acton | Licensed under: CC-BY-NC-ND 4.0 International | Provided by: RomArchive
Gérard Rondeau | In the offices of the journal Esprit in Paris | Fotografie | Frankreich | 1980 | rom_90013 Rights held by: Gérard Rondeau | Licensed by: Sylvie Rondeau I Licensed under: CC-BY-NC-ND 4.0 International | Provided by: Jean-Pierre Liégeois – Private Archive