Die Rede der Premierministerin kann als Eingeständnis der Regierung gewertet werden, dass die norwegischen Rom_nja nicht nur Opfer der Vernichtungspolitik des nationalsozialistischen Deutschlands, sondern auch der antiziganistischen Rechtsprechung in Norwegen waren.
Den Anstoß zu diesem Schuldbekenntnis gaben Aktivist_innen der norwegischen Rom_nja, die in dem Land nur eine kleine ethnische Minderheit von einigen Hundert Menschen bilden. Das Bekenntnis und die ihm folgende bessere Hörbarkeit von Roma-Stimmen in der Öffentlichkeit sind wichtige Errungenschaften in der Debatte, zumal in den letzten Jahren sowohl alte als auch neue Formen von Antiziganismus in Norwegen wieder laut geworden sind.
Schweden
In Schweden wurden die Rom_nja, einschließlich der Resande, 1999 als nationale Minderheit anerkannt.
Im Jahr 2000 entschuldigte sich die schwedische Regierung für die historische Verfolgung und Diskriminierung der Resande. Im selben Jahr erklärte der schwedische Erzbischof offiziell, dass die historische Haltung der Kirche den Rom_nja gegenüber einen Versöhnungsprozess erforderlich mache.
2010 entschuldigte sich der Sprecher des schwedischen Riksdag (Reichstag) bei den Opfern von Misshandlungen in staatlichen Kinderheimen. Allerdings wurde er im Nachhinein dafür kritisiert, dass er die Auswirkungen des rassistischen Diskurses, dem die Resande in Schweden ausgesetzt sind, nicht erwähnte.
Nach den Enthüllungen über die Roma-Polizeiregister im Jahr 2013 trat der schwedische Justizminister zu einer offiziellen Entschuldigung an. Die Führung der schwedischen Polizei brauchte bis 2015, ehe sie um Entschuldigung bat, wobei sie allerdings nicht erwähnte, dass es sich bei dem Register um ethnisches Profiling handelte.
Restitution, Reparation, Kompensation
Deutschland
Nach den ersten Protesten der Roma-Bürgerrechtsbewegung dagegen, dass viele Sinti und Roma von Wiedergutmachungszahlungen ausgeschlossen blieben, richtete die Bundesregierung einen sogenannten Härtefonds zur Entschädigung für nichtjüdische Opfer des Nationalsozialismus ein.
Doch erst weitere Demonstrationen des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma führten einen grundlegenden Wandel der bis dahin diskriminierenden Restitutionspraxis herbei. Eine Dokumentation in den 80er Jahren legte mehr als 500 Fälle offen, in denen Angehörige der Minderheit keine angemessenen Entschädigungszahlungen für ihre Verfolgung unter dem Nationalsozialismus erhalten hatten.
Im weiteren Verlauf bewirkte der Zentralrat neue Entscheidungen in mehreren Tausend Entschädigungsfällen. In den frühen 2000er Jahren erreichte er eine Kompensation für Roma-Zwangsarbeiter_innen, finanziert aus Mitteln der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« und des Schweizer Fondsverbands. Erstmals konnten auch nichtdeutsche Rom_nja zumindest eine geringe Entschädigung beantragen.
Norwegen
In den 2000er Jahren folgten den symbolischen Entschuldigungen individuelle Kompensationszahlungen an Rom_nja/Tatere, die unter der Diskriminierungspolitik gelitten hatten. Hinzu kam eine Kollektiv-Entschädigung in Gestalt der Finanzierung einer eigenen Roma-Abteilung am Glomdals-Museum in Elverum sowie eines Fonds zur Förderung der Roma-Kultur in Norwegen.
2015 beschloss das norwegische Parlament, als materiellen Akt der Wiedergutmachung ein permanentes Zentrum für Kultur und Forschung der norwegischen Rom_nja einzurichten. Vertreter_innen der Roma-Gemeinschaft haben gemeinsam mit der Kirchlichen Stadtmission an der Ausgestaltung dieses Zentrums gearbeitet, die Eröffnung war für 2017 vorgesehen.
Schweden
Zwischen 1998 und 2000 konnten Opfer der Zwangssterilisierungen individuelle Entschädigungen beantragen. 2013/14 hatten Opfer von Misshandlungen bei der Zwangsunterbringung in Kinderheimen Gelegenheit, Entschädigungsanträge zu stellen.
Doch das Ausmaß des Antiziganismus, den Rom_nja und Resande in Schweden erlitten haben, wurde bei diesen Regelungen nicht berücksichtigt. Es liegen keine Statistiken dazu vor, wie viele Rom_nja diese Entschädigungszahlen in Anspruch genommen haben.
Nach einer Entscheidung der schwedischen Justizkanzlerin von 2014 erhielten fast 3.000 Rom_nja, die widerrechtlich von der Polizei registriert wurden, eine Kompensation von je 5.000 schwedischen Kronen. Allerdings betrachtete die Kanzlerin das Register nicht als ethnische Diskriminierung.
Da sie diese Entscheidung als unzureichend betrachteten, zogen 11 schwedische Rom_nja, unterstützt von der Organisation Civil Rights Defenders, vor Gericht. Das Bezirksgericht Stockholm gab ihnen recht: Das Register sei nach ethnischen Kriterien angelegt und eine individuelle Entschädigungszahlung von je 30.000 Kronen fällig. Die Justizkanzlerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Gedenkpolitik
Gedenkstätten sind ebenso wie Gedenktage und Rituale von zentraler Bedeutung für das kollektive Gedächtnis. Sie verweisen auf bestimmte historische Ereignisse, aber auch auf die politische Geschichte ihrer Einrichtung.
Das Gedenken an den Porajmos
Der 27. Januar, als Datum der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, wurde in Deutschland 1996 zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus und von den Vereinten Nationen im Jahr 2005 zum Holocaust-Gedenktag erklärt.
Der 2. August wurde 2015 vom Europaparlament als Gedenktag des Holocausts an den Sinti und Roma anerkannt, in Erinnerung an die mörderische Auflösung des »Zigeunerlagers« in Auschwitz 1944. Der 16. Mai als Tag des Widerstands der Sinti und Roma erinnert daran, wie Sinti und Roma in Auschwitz den ersten Versuch abwehrten, das Lager zu räumen.
Mit diesen drei Daten verbinden sich unterschiedliche Formen des Gedenkens an die Opfer des Holocausts an vielen Orten. Für die Sinti und Roma haben dabei vor allem die Gedenkstätte Auschwitz und das 2012 eingeweihte Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin große Bedeutung [siehe auch Voices of the Victims Archivbereich].
Weitere Gedenkstätten der Sinti und Roma
Finnland
In Finnland wurde 2003 ein Denkmal für die finnischen Roma errichtet, die als Soldaten im Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen.
Norwegen
Seit 1996 begeht die TL eine jährliche Gedenkfeier am »Stein der Schande« auf dem Riis-Friedhof in Oslo. Der Stein liegt über dem Massengrab, das die psychiatrische Klinik Gaustad verwendete.
Die jährliche Feier dient einerseits als Gedenkritual, das die Roma-Gemeinschaft in der Erinnerung an eine gemeinsame historische Erfahrung zusammenschweißt, hat andererseits aber auch eine politische Funktion, indem sie Regierung und Kirche in Norwegen daran gemahnt, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen.
Schweden
Zum Gedenken an die antiziganistischen Ausschreitungen im Jahr 1948, als Medienhetze und Untätigkeit der Polizei dazu führten, dass ein rassistischer Mob schwedische Resande attackierte, wurde 2015 eine Erinnerungsstätte eingeweiht.
Maßnahmen gegen Antiziganismus
Politische Interventionen gegen Antiziganismus auf europäischer Ebene
Seit der Jahrtausendwende sind auf europäischer Ebene eine Reihe von Aufrufen zum Handeln gegen Antiziganismus verabschiedet worden.
Ein herausragendes Beispiel ist die schon erwähnte EU-Resolution »zum Internationalen Roma-Tag – Antiziganismus in Europa und Anerkennung durch die EU des Tags des Gedenkens an den Völkermord an den Roma während des Zweiten Weltkriegs«.