Zu keinem Zeitpunkt wurden Sinti und Roma in Amerika in dem Ausmaß verfolgt wie in Europa. Waren sie erst einmal der jeweiligen Mehrheitssprache mächtig, so war es für Roma-Migrant_innen in Nordamerika nie ein Problem, Anwält_innen anzuheuern, die ihnen bei den Problemen mit den Behörden beistanden. Sie konnten sich in ihrem eigenen Tempo an die technologischen Veränderungen gewöhnen, waren nie gezwungen, in Ghettos zu leben, und wurden in dem Moment unsichtbar, in dem sie ihren nomadischen Lebensstil im Zuge der massenhaften Verbreitung des Automobils und der »Großen Depression« ablegten. Aus dieser trotzdem randständigen Beinahe-Unsichtbarkeit und -Integration wurden sie erst durch die Kampagnen der europäischen Roma-Bewegung gerissen – und dann, nach 1989, noch einmal, als Roma-Flüchtlinge aus dem von Nationalismus, Neoliberalismus und Rassismus durchgerüttelten postkommunistischen Osteuropa Amerika erreichten.
Die Sinti und Roma, die seit dem 19. Jahrhundert in die USA gekommen waren, hatten kein offizielles und von oben verordnetes Assimilationsprogramm zu erdulden, sie erlitten keinen Nazi-Genozid und hatten auch nicht mit der assimilationistischen Umerziehungspolitik des Kommunismus zu kämpfen. Doch auch sie litten – und leiden – unter der Behandlung durch die Behörden und der Stimmungsmache der Medien. Zwei der schlimmsten racial profiler sind beispielsweise der frühere Detektiv Dennis M. Marlock und der Soziologie Jon Dowling. Auf der Webseite, die Dowling betrieb, wurden Leute gelistet, denen Regelverstöße nur vorgeworfen wurden, ohne dass sie aber dafür verurteilt worden waren, oder Leute, die zwar angeklagt, aber später freigesprochen worden waren. Dowling vertritt den Mythos von »den ehrlichen Rom_nja« und »den kriminellen Zigeunern«. An einem Beispiel wie ihm wird der latente Antiziganismus der Mehrheitsgesellschaft offenbar.