Historischer Hintergrund
Die Anwesenheit von Rom_nja in Schweden lässt sich bereits für das Jahr 1512 belegen. Damals landeten 30 »Zigeuner«-Familien aus dem finnischen Helsinki in Stockholm, und zwar »am Michaelistag (29. September) [...] wie man sich berichtet, aus Klein-Ägypten kommend [...]«. Sie wurden von einem gewissen Graf Anthonius angeführt. Bei denjenigen Rom_nja, die sich heute selbst Resandefolket nennen, handelt es sich um die Nachfahr_innen der damals Eingewanderten. Ihre Sprache wird Scando-Romanes oder Resande-Romanes genannt. In der Folge der Reformation auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands sagte sich der schwedische König Gustav I. Wasa 1527 vom Papst und von Rom los. Mit der Synode von Uppsala wurde der Protestantismus lutherischer Prägung 1593 verpflichtend eingeführt und Schweden installierte eine lutherische Staatskirche.
In den folgenden Jahrhunderten waren Sinti und Roma von der Gesellschaft ausgeschlossen und sahen sich einer massiven Verfolgung durch die Politik von Kirche und Staat ausgesetzt. Teile der Sinti und Roma wurden auf finnisches Territorium vertrieben – einer der Gründe für die gemeinsame Beziehung (släktskap) der schwedischen Resandefolket mit finnischen Rom_nja (Kaale). Zudem ist eine Reihe von Beispielen für gute Beziehungen zwischen der Nicht-Roma-Landbevölkerung (gadje) und den Resandefolket in Schweden bekannt. Ebenso wird von Fällen berichtet, in denen es Resande erlaubt war, sich in den Städten niederzulassen und Handel zu treiben, ebenso von Sinti und Roma, die in der schwedischen Armee dienten. Dennoch: Derartige Beispiele einer gelungenen Koexistenz finden sich hauptsächlich auf lokalem Niveau oder waren Folge von Ad-hoc-Entscheidungen. Der Staat und die Kirche blieben den schwedischen Sinti und Roma über all die Jahre überwiegend feindlich gesinnt.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erreichte eine zweite Gruppe von Rom_nja aus Russland Schweden. Sie gehörten hauptsächlich den Volksgruppen der Kalderascha, der Lovara oder der Tjurari an, die aus der Walachei, aus Transsilvanien oder aus Moldau (rumänisch: Tara Moldovei) stammten und nach der Abschaffung der Sklaverei für Rom_nja in den Jahren 1861–64 ausgewandert waren. In der schwedischen Umsetzung des Rahmenübereinkommens wird diese zweite Gruppe als Schwedische Rom_nja bezeichnet. Von den 1920er bis zu den 1950er Jahren beruhte die schwedische Politik gegenüber Sinti und Roma und Resande auf Nationalismus und pseudowissenschaftlichen Theorien der Rassenbiologie. Von 1914 bis 1954 waren die Grenzen für Sinti und Roma offiziell geschlossen, ähnlich wie im Fall Norwegens, das Sinti und Roma von 1933 bis 1956 ausschloss. Die schwedische Anti-»Zigeuner«-Politik folgte einer doppelten Agenda: Während die Resande (die damals Tattare genannt wurden) als asoziale, »gemischtrassische« Schwed_innen angesehen wurden, die mit Maßnahmen wie erzwungener Assimilation, Sterilisierung und der Entwendung ihrer Kinder in staatliche Pflegeeinrichtungen unterdrückt wurden, wurden die Schwedischen Rom_nja (»Zigenare« genannt, daher auch der Ausdruck »Antiziganismus«) als Fremdkörper betrachtet. Ihnen wurden sämtliche Bürger- und Sozialrechte verweigert, also auch das Recht auf Wohnraum und Schulbildung. Sie sollten dem offiziellen Ziel entsprechend dazu »gedrängt« werden, das Land zu verlassen. Nachdem das Einwanderungsverbot 1954 aufgehoben wurde, entschieden sich viele Finnische Rom_nja (Kaale) dazu, wie viele andere Finn_innen auch nach Schweden mit seinem vielversprechenderen Arbeitsmarkt zu emigrieren. Während der 1970er Jahre durfte eine begrenzte Anzahl von Lovara, Kalderascha, Romungri und Tjurara aus Jugoslawien, der Tschechoslowakei und Polen nach Schweden einwandern (sie wurden als Nichtnordische Sinti und Roma definiert). Nach den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien erhielten in den 1990er Jahren schließlich mehrere Tausend Rom_nja (Arli, Ghurbeti, Ashkali und Balkan-Ägypter _innen) in Schweden den Flüchtlingsstatus. Nach dem EU-Beitritt wurde es dann für Sinti und Roma aus allen EU-Mitgliedstaaten möglich, sich in Schweden eine Existenz aufzubauen (sie wurden in der Gruppe der Neu angekommenen Sinti und Roma zusammengefasst).