Da Weißrussland vor dem Zweiten Weltkrieg zweigeteilt war, ist es nicht möglich, genaue Informationen über die Zahl der dortig ansässigen Roma zu geben. Nach der sowjetischen Volkszählung von 1939 lebten damals 3.362 Roma in der Belorussischen Sozialistischen Sowjetrepublik (BSSR), doch die tatsächliche Zahl mag höher gelegen haben, da einige Roma als Weißruss_innen oder Russ_innen erfasst wurden. Die westlichen Landesteile gehörten damals zu Polen, und in den dortigen Volkszählungen wurden Roma nicht gesondert erfasst. Über ihr Schicksal ist für die Zeit der Sowjetherrschaft von September 1939 bis Juni 1941 wenig bekannt.
Weißrussland (Belarus)
Besatzung und erste Erschießungen
Im Zuge der deutschen Besatzung im Sommer 1941 wurde Weißrussland einmal mehr zweigeteilt: Die westlichen Gebiete mit Minsk wurden einer Zivilverwaltung unterstellt und als »Generalbezirk Weißruthenien« dem »Reichskommissariat Ostland« (RKO) eingegliedert. Die östlichen Gebiete unterstanden weiter der Militärverwaltung der Heeresgruppe Mitte. In letzteren Landesteilen wurden ursprünglich sehr radikale Befehle gegen Roma erteilt. Der Wehrmachtskommandant in Weißruthenien, General Gustav von Bechtolsheim, ordnete am 10. Oktober 1941 an, alle Roma »an Ort und Stelle« zu erschießen. Laut von Bechtolsheim »müssen die Juden vom flachen Lande verschwinden und auch die Zigeuner vernichtet werden«. In anderen Befehlen wurde die Wehrmacht dazu angehalten, gefangen genommene »Zigeuner« an die Sicherheitspolizei zu übergeben. Dennoch gibt es keinen Beweis, dass diese harschen Befehle 1941 bereits in allen Teilen Weißrusslands umgesetzt wurden. Die »Einsatzgruppe B« der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, deren bewegliche Einheiten die rückwärtigen Gebiete im besetzten Weißrussland von »unerwünschten Elementen« wie Kommunisten, Juden und »Zigeunern« »säuberten«, ermordete im späten Herbst 1941 beinahe 300 Roma. Die systematische Vernichtung begann jedoch erst 1942. Ab diesem Zeitpunkt wurden Roma unterschiedslos von der Sicherheitspolizei ermordet.
Systematische Ermordung
Im Generalbezirk Weißruthenien begann die systematische Ermordung der Roma ebenfalls 1942, hauptsächlich durchgeführt von der Sicherheitspolizei. In einigen Fällen gaben die Lokalbehörden den Hinrichtungsbefehl, der üblicherweise von der Gendarmerie oder der örtlichen Hilfspolizei ausgeführt wurde. In Vilejka, Kleck und Gorodišče wurden Roma und Juden gleichzeitig hingerichtet, in Snov gingen die Roma den Juden ins Massengrab voran.
Verglichen mit den anderen Teilen des RKO hatte der Generalbezirk Weißruthenien die höchste Todesrate. Dies mag kein Zufall sein, war Weißrussland insgesamt doch ein Zentrum der Partisanenbewegung – und rief damit auch entsprechende »Sicherheitsbedenken« hervor. Wie vom Höheren SS- und Polizeiführer für Russland-Mitte und Weißruthenien, Curt von Gottberg, angeordnet, wurden Roma und Juden von SS- und Militäreinheiten en masse in größeren Operationen gegen Partisan_innen getötet. Derlei Operationen fanden in allen Teilen des besetzten Weißrusslands statt.
Folgt man Christian Gerlachs Schätzung, so ermordeten die Deutschen im besetzten Weißrussland nicht weniger als 3.000 Roma. Es ist jedoch möglich, dass die tatsächliche Zahl der Opfer noch höher liegt.
Wenige Monumente
Die Außerordentliche Staatliche Kommission untersuchte einige Fälle von Nazi-Gräueltaten gegen Roma. In den sowjetischen Nachkriegsprozessen spielten diese Fälle jedoch eine untergeordnete Rolle. Dasselbe gilt für das offizielle Gedenken – auch wenn sich im heutigen Weißrussland drei Mahnmale finden, die den Opfern der Roma gewidmet sind.
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