Das Gebiet des heutigen Serbien wurde 1941 vom Deutschen Reich und seinen Alliierten besetzt und aufgeteilt. Im Norden annektierte Ungarn die Region Bačka, Srem fiel unter die Herrschaft der kroatischen Faschisten. Im Süden übernahm Bulgarien den Südosten, während beinahe der gesamte Kosovo Großalbanien untergeordnet wurde. Im zentralen Teil Serbiens etablierten die Deutschen ein militärisches Besatzungssystem unter Eingliederung der Banat-Region, die damals einer kollaborierenden Regierung und einer starken ethnischen deutschen Minderheit unterstand. In sogenannten »Gebiet des Militärbefehlshabers in Serbien« lebte damals eine nicht näher zu bestimmende Zahl von Roma. Einige Schätzungen gehen für den April 1941, dem Zeitpunkt der Invasion der Achsenmächte, von etwa 60.000 Roma aus.
Serbien
Ärmliche Lebensbedingungen
Fast alle Roma fristeten ihr Leben unter ärmlichsten Umständen. Mit Ausnahme einiger weniger, die ihren Lebensunterhalt als fahrende Handeltreibende verdienten, lebten sie in Siedlungen in Städten, Kleinstädten oder Dörfern. Der Großteil der Roma war ohne Arbeit, einige arbeiteten als Kleinbauern, Musiker, Kutscher, Maurer oder verdingten sich als Tagelöhner_innen. Besonders in größeren Städten wie Belgrad zählten Roma zum ärmsten Teil der Bevölkerung. Sich von dieser Situation zu emanzipieren, gelang nur in wenigen Fällen, beispielsweise in Belgrad, wo dort beheimatete Roma eine eigene Zeitung herausgaben und wo in der unmittelbaren Vorkriegszeit mehrere bedeutende Kulturinitiativen ins Leben gerufen wurden.
Erste deutsche Maßnahmen gegen Roma
Mit der deutschen Invasion änderte sich die Situation der Roma in Serbien dramatisch. Es dauerte keine zwei Monate, bevor die ersten Maßnahmen gegen Roma durchgeführt wurden. Gegen sie wurden die gleichen Verordnungen erlassen wie gegen Juden: Sie mussten eine gelbe Armbinde tragen, es war ihnen verboten, öffentliche Orte zu besuchen und öffentliche Dienste in Anspruch zu nehmen (medizinische Versorgung, öffentliche Verkehrsmittel). Wer im Staatsdienst arbeitete, wurde entlassen. Bald aber wurden die Verordnungen auf diejenigen Roma beschränkt, die keinen festen Wohnsitz nachweisen konnten – wahrscheinlich aufgrund der zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Verordnungen und angesichts der von den Partisanenaufständen ausgelösten kritischen Lage. Es waren serbische Kollaborateure, die damit betraut wurden, die Durchsetzung der Verordnungen gegen Juden und Roma zu überwachen.
Geiselerschießungen
Mit einer starken Partisanenbewegung konfrontiert, verfügte Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, am 16. September 1941, dass überall dort, wo Partisanenaktivitäten zu verzeichnen waren, für jeden getöteten deutschen Soldaten 100 Geiseln und für jeden verwundeten deutschen Soldaten 50 Geiseln zu erschießen seien. Der Militärbefehlshaber in Serbien ordnete daraufhin die Erschießung von Kommunisten, männlichen Juden und männlichen Roma an. Massenerschießungen von Roma fanden Ende September und besonders im Oktober an mehreren Orten statt, unter anderem in Šabac und Kragujevac. Ende Oktober 1941 sonderten die Deutschen gemeinsam mit Kollaborateuren im Belgrader Konzentrationslager Topovske šupe männliche Roma aus. Diese wurden in den darauffolgenden Tagen erschossen. Insgesamt kamen dabei etwa 1.500 Menschen um. Im Dezember wurde eine Gruppe von 300 Roma in Leskovac erschossen, und auch in Niš kam es im Februar 1942 zur Erschießung einiger Roma.
Verhaftungen
Auch Frauen und Kinder wurden verhaftet. In Belgrad brachte man sie in das »Judenlager« Semlin, ein Lager für jüdische Frauen und Kinder. Auch wenn der Großteil der Roma wieder freigelassen wurde, sobald sie einen festen Aufenthaltsort nachweisen konnten, starben dort einige Hundert an Hunger oder wurden zusammen mit Juden – wahrscheinlich in einem speziellen Gaswagen – getötet.
Nach 1945
Da das wissenschaftliche Interesse an diesem Thema nicht sehr stark ausgeprägt ist, ist es nach wie vor nicht möglich, die genaue Gesamtzahl der ermordeten Roma zu benennen. Für den Zeitraum von 1941 bis zum Beginn des Jahres 1942 lässt sich die Zahl der getöteten Roma auf etwa 2.500 beziffern. Ebenso kann nach gegenwärtigem Forschungsstand noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob Roma gezielt zu Zwangsarbeit, Deportation oder weiterer Segregation herausgegriffen wurden.
Auch wenn die jugoslawische Regierung die rassistisch motivierte Verfolgung der Roma anerkannt hat, wurde für die verübten Verbrechen niemand zur Rechenschaft gezogen. In der Republik Serbien wird dem Völkermord an den Roma mit einigen Mahnmalen und Tafeln gedacht (in Leskovac, Kragujevac, dem Konzentrationslager Topovske šupe in Belgrad und am Hinrichtungsort Jabuka). Seit 2010 wird der 16. Dezember auf Betreiben staatlicher Behörden und einiger Roma-Organisationen als Gedenktag für die während des Zweiten Weltkriegs getöteten Roma begangen.
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