»Ich muss Dir mitteilen, dass meine beiden kleinsten Kinder gestorben sind«
Margarete Bamberger, 1943
Printed in: Anita Geigges and Bernhard W. Wette (eds): Zigeuner heute. Verfolgung und Diskriminierung in der BRD, Bornheim-Merten, 1979, 271.
Der Brief von Margarete Bamberger wurde 1943 aus dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau herausgeschmuggelt. Er ist eines der berührendsten Zeugnisse, die es über den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma Europas gibt.
»Unsere Frauen und unsere Kinder verstecken ihre Tränen vor uns«
Internierter des Lagers Linas-Montlhéry, 1941
Mit den Stimmen der Opfer werden ihre verzweifelte Lage, ihre Ängste und Hoffnungen spürbar. Den Morden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern gingen viele Jahre der Demütigung, Entrechtung und Isolation voraus. Auch die Familien, die 1940 im besetzten Frankreich in dem Lager Linas-Montlhéry interniert waren und 1941 um ihre Freilassung baten, überlebten nicht. Sie wurden 1944 über das Sammellager im belgischen Mecheln nach Auschwitz-Birkenau deportiert.
Josip Joka Nicolić, 1952
Sprecher: Zejhun Demirov (D) | Steve Hudson (E) | Nedjo Osman (R)
Josip Joka Nikolić nennt Namen und Alter seiner Angehörigen – Ehefrau und Kind, Eltern, Brüder, Schwägerinnen, Nichten und Neffen –, die mit ihm im Mai 1942 aus der Ortschaft Predavec in das Konzentrationslager Jasenovac deportiert und vor ausgehobenen Gruben erschossen wurden. Nur ihm gelang die Flucht, weshalb er einer der wenigen Zeug_innen der systematischen Ermordung der Rom_nja in dem faschistischen »Unabhängigen Staat Kroatien« ist.
»Am 29. Oktober 1941 wurde das Viertel von den Deutschen umstellt, und alle Männer hatten sich sofort fertigzumachen, um mitzukommen«
Milena Stanković, 1945
Milena Stanković bezeugt dies vor einer Untersuchungskommission. Vor allem im deutsch besetzten Südost- und Osteuropa geschahen die Morde nicht in Lagern, sondern in der Nähe der Wohnorte. So etwa in Belgrad, wo im Oktober 1941 alle Roma festgenommen und erschossen wurden.
»Ich habe sechs Kinder im Alter von einem bis 14 Jahren und muss sie allein ernähren, weil mein Mann Filipp Indus im Dezember 1941 verhaftet wurde«
Lonny Indus, 1942
Mit diesen Worten beschreibt die 31-jährige Lonny Indus ihre bedrückende Lage. Doch sie bittet vergeblich um die Entlassung ihres Mannes. Das Ehepaar und die sechs Kinder wurden im Februar 1943 deportiert. Niemand überlebte. Etwa 95 Prozent der Roma-Bevölkerung in Estland wurde unter deutscher Besatzung ermordet.
»Unsere Kolchose wurde umstellt, insgesamt wurden 176 Menschen jeglichen Alters – auch Kinder und Alte – erschossen«
Romni aus dem Dorf Aleksandrovskoe, 1943
Überlebende Romnja aus dem Dorf Aleksandrovskoe in der Nähe von Smolensk berichten über die deutsche Besatzung. Wie an vielen anderen Orten der besetzten Sowjetunion war auch die Krim Schauplatz von Massenexekutionen an Roma, die mobile Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes durchführten.
Diese Botschaft schickt der 28-jährige Ivan Ivanov von der Front in Stalingrad nach Hause. Der Satz ist auf Romanes geschrieben, damit der Brief trotz Zensur seine Ehefrau erreicht. Ivanov starb als Soldat im November 1942. Er war einer der vielen Hundert Rom_nja, die in der Roten Armee für die Befreiung kämpften. Auch in anderen Ländern kämpften Rom_nja in regulären Armeen oder als Partisan_innen aktiv gegen die Armeen und Verbündeten des Deutschen Reiches.
»Ich will euch meinen letzten Wunsch mitteilen, da ich euch nicht mehr sehen werde«
Anton Reinhardt, 1945
Das sind die letzten Worte des 17-jährigen Anton Reinhardt, die er am 31. März 1945 an seine Eltern richtet. Am selben Tag wurde er von einem SS-Hauptsturmführer erschossen. Reinhardt war vor der drohenden Zwangssterilisation aus Deutschland in die Schweiz geflohen, von dort abgeschoben und verhaftet worden. Als er erneut zu fliehen versuchte, wurde er ergriffen und ermordet.
- Wie viele andere Überlebende auch, suchte Petrus Johannes Vos nach der Befreiung nach seinen Angehörigen. Meist zeigten jedoch die Behörden wenig Anteilnahme und machten kaum Anstrengungen, das Schicksal der Deportierten zu klären. So blieben viele Sinti und Roma oft jahrzehntelang im Unklaren darüber, was mit ihren Verwandten geschehen war. Erst spät erfuhr Vos, dass seine Tochter, der Schwiegersohn und drei Enkel_innen die Deportation nach Auschwitz nicht überlebt hatten.
»Während dieser Experimente hatte ich furchtbare Durstanfälle, zum Schluss bekam ich Fieber. Bis zum heutigen Tage leide ich an den Folgen«
Karl Höllenreiner, 1947
Karl Höllenreiner sagt im Juni 1947 vor einem amerikanischen Ermittlungsbeamten aus. Er hatte im Konzentrationslager Dachau die folterähnlichen Meerwasser-Experimente, die an 40 Sinti und Roma im Auftrag der Luftwaffe begangen wurden, überlebt und war Zeuge der Anklage im Nürnberger »Ärzte-Prozess«. Nur wenige Täter_innen, die an den an Sinti und Roma verübten Verbrechen beteiligt waren, wurden jemals vor Gericht gestellt, noch weniger deswegen verurteilt.