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Apatija = Apathie

Jovan Nikolić | Apatija = Apathie | xarni paramiča | lit_00127

Licensed by: Jovan Nikolić| Licensed under: CC-BY-NC-ND 4.0 International | Provided by: Jovan Nikolić – Private Archive

APATIJA

Na istoku Nemačke, nedaleko od granice sa Poljskom, u Eizenhutenštatu, boravio sam te
jeseni u logoru za azilante. Dok sam još imao svežine i volje da “promenim svoju sudbinu”,
zapisao sam u svome dnevniku:
Posmatram figuru tamnoputog čoveka koji od ranog jutra sedi na ivici goleme i
uznemirujuće, ružne betonske kocke. Glavom uvučenom među ramenima , čitavim torzom
klonuv na dole, šakama ispruženih ruku opret o kolena, zuri nekamo u tlo između stopala.
Po sugestivnoj snazi poredio sam ga sa Rodenovom skulpturom Mislilac!
Vrlo je moguće nazreti model novoj skulpturi čoveka na zalasku milenijuma koju bi
mogli nazvati – Apatija.

Taj zatočenik, jednako kao što sam to bio i ja, pod mojim prozorom, na praznoj žardinjeri
ostajao bi satima posle doručka u nepromenjenom položaju, gotovo nepokretan, do ručka.
Onda, svakoga dana iznova.

Kao spomenik udesima miliona bezimenih “nedokumentovanih” ljudi, azilanata, emigranata i apatrida koji su tumarali duž uporednika i meridijana, bežeći od ratova, diktatura i gladi, prizivajući šaku milosti administracija zemalja u koje su uspeli da se ukrcaju na kratko. Ne shvatajući da su samo promenili kavez.
Kao spomenik svima koji su, visokim trostrukim namotajima bodljikave žice odeljeni od civilizovanog, demokratskog sveta, među zgradam sazdanim od mrkih cigala, u bivšim kasarnama nacističkih soldata, po utabanim stazama na zemlji dvorišta Asylantenheima, vukli noge otežale pod teretom nevidljivih negvi.
Hordama naroda, prognanika, brodolomnika egzistencije, koji urlaju i mašu bespomoćno za
slobodom, dostojnijim životom, koji će proći mimo njih i pred očima im zaći iza horizonta.
Prepustivši prvom golemom talasu da ih skupa sa njihovim nadama i snovima porine natrag u nepojamne dubine anonimnih sudbina, neispričanih povesti, nepostojanja.

2017,

Serbikane

APATHIE

In diesem Herbst hielt ich mich im Osten Deutschlands, unweit der polnischen Grenze in Eisenhüttenstadt, in einem Asylantenheim auf. Während ich noch immer die Frische und den Willen hatte „mein Schicksal zu ändern“, schrieb ich in mein Tagebuch:
Ich betrachte die Gestalt eines dunkelhäutigen Mannes, der seit dem frühen Morgen am Rand eines riesigen und beunruhigenden, hässlichen Betonwürfels sitzt. Den Kopf zwischen den Schultern eingezogen, mit seinem ganzen Rumpf nach unten hängend und mit den Handflächen seiner ausgestreckten Arme gegen die Knie drückend, starrt er irgendwo in den Boden zwischen seinen Füßen. Ich verglich ihn aufgrund seiner suggestiven Kraft mit Rodins Skulptur Der Denker. Es ist durchaus möglich, ein Modell für eine neue Skulptur des Menschen am Vorabend des Jahrtausends zu erahnen; nennen wir sie - Apathie.
Dieser Gefangene, genauso wie ich einer war, blieb stundenlang fast unbeweglich bis zum Mittagessen in unveränderter Haltung auf einer leeren Blumenschale unter meinem Fenster sitzen. Dann jeden Tag von Neuem.
Wie ein Denkmal, gewidmet dem Verhängnis Millionen namenloser „nicht dokumentierter“ Menschen, Asylanten, Emigranten und Apatriden, die entlang der Längen- und Breitengrade umherirrten, auf der Flucht vor Kriegen, Diktaturen, Hunger, eine Hand voll Gnade von den Verwaltungen jener Länder beschwörend, in die sie sich für kurze Zeit einzuschiffen vermochten. Ohne zu begreifen, dass sie nur den Käfig gewechselt haben.
Als Denkmal für alle, die durch hohe dreifache Stacheldrahtrollen von der zivilisierten, demokratischen Welt abgesondert sind und die zwischen den aus dunklem Ziegel erbauten Gebäuden in ehemaligen Kasernen nazistischer Soldaten, auf dem Trampelpfad am Boden im Vorhof des Asylantenheims ihre von der Last der unsichtbaren Ketten schwer gewordenen Beine schleppten.
Für alle Völkerhorden, für Vertriebene, Schiffbrüchige der Existenz, die brüllen und hilflos einem freien und würdigen Leben hinterherwinken, das an ihnen vorbeiziehen und vor ihren Augen am Horizont versinken wird, um sie der ersten riesigen Welle zu überlassen, die sie zusammen mit ihren Hoffnungen und Träumen wieder hinab spült in die unbegreifliche Tiefe anonymer Schicksale, nicht erzählter Geschichten, in die Nicht-Existenz.

Kreditora

Licensed by: Jovan Nikolić| Licensed under: CC-BY-NC-ND 4.0 International | Provided by: Jovan Nikolić – Private Archive

Konteksto

Jovan Nikolić Kurzgeschichte »Apatija« / »Apathie« ist Teil eines Werkzyklus an Kurzprosa, den der Autor selbst als Dokumentation, lyrische Notiz oder poetische Prosa beschreibt. Wie fast alle seiner kurzen Prosawerke basiert das Stück auf autobiografischen Erfahrungen – Nikolić selbst hielt sich 1999 in einem Flüchtlingslager in Deutschland auf, nachdem er vor dem Milošević-Regime in Serbien geflohen war.

Die Beobachtung einer scheinbar banalen Aktivität – oder auch Inaktivität – eines anderen Flüchtlings wird zum Anlass für mehrschichtige Reflexionen: über die Welt der Humanität und der Inhumanität und über die Erschütterung zivilisatorischer Werte. Während die conditio humana des 19. Jahrhunderts durch Auguste Rodins Skulptur »Der Denker« symbolisiert wurde, hätten Demokratien des 20. Jahrhunderts, die scheinbar Menschenrechte garantierten, Zögern und sogar Apathie in die Welt gebracht. Dies wirft somit auch die Frage auf, wie »demokratisch« eine Welt sein kann, in der Menschen in Lagern »gefangen« gehalten werden.

Der vorliegende Text wurde vom Autor als Typoscript zur Verfügung gestellt. »Apatija« / »Apathie« wurde auch in Nikolić‘ Prosaband »Hotel Nikaragva« (Novi Sad, Kulturni centar Novog Sada, 2017) veröffentlicht.

Sofiya Zahova (2018)

Detalura

Autorija
Bibliografijako nivelo
Articles
Objektesko numero
lit_00127

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