Mariella Mehr erzählt die Geschichte der beiden Mädchen Anna und Franziska – die eine Jenische, die andere Jüdin –, die als Außenseiterinnen im Kinderheim eine fatale Freundschaft pflegen. Als Erwachsene meint Anna, die inzwischen in einer Privatklinik arbeitet, ihre frühere Freundin wiederzuerkennen. Der Roman »Brandzauber« von 1998 wechselt sowohl zwischen den beiden Zeitebenen wie auch zwischen verschiedenen Perspektiven hin und her.
Im vorliegenden Textausschnitt erinnert sich die Jenische Anna, wie sie als Jugendliche den Wohnwagen ihrer Mutter in Brand setzte und daraufhin in eine von Nonnen geführte »Anstalt« eingewiesen wird. Dort lernt sie Franziska kennen und beobachtet eines Tages, wie der Anstaltspsychiater Lodemann ihre jüdische Freundin Franziska vergewaltigt.
»Brandzauber« schildert die Gewaltspirale innerhalb einer Gesellschaft, die Andersartige verfolgt und ausgrenzt.
(Nina Debrunner)
Quelle der Textprobe
Mehr, Mariella. 2017. Daskind – Brandzauber – Angeklagt. Zürich, Limmat Verlag, S. 244–249.