Dieses unbetitelte Gedicht stammt aus Mariella Mehrs erstem Gedichtband »in diesen traum schlendert ein roter findling«, der 1983 in Bern erschienen ist und einen Umfang von siebzig Seiten hat. Damit debütierte sie, nach ihrem großen Erfolg mit ihrem ersten Roman »steinzeit« im Jahr 1981, auch als Lyrikerin.
Dass am Anfang ihrer literarischen Arbeit vor allem Gedichte stehen, hat Mari-ella Mehr mehrfach erzählt. Die Gedichte in diesem Band sind auch über einen längeren Zeitraum entstanden, was den Jahreszahlen zu entnehmen ist, die unter vielen Gedichten stehen; viele stammen aus den späten 70er Jahren.
Das obige Gedicht ist jedoch mit keiner Zeitangabe verbunden und trägt auch, wie sehr viele Texte in diesem Band, keinen Titel. Auffallend ist zudem die konsequente Kleinschreibung, die Mariella Mehr hier noch pflegt; in den späte-ren Gedichtbänden hat sie diese aufgegeben.
Die Autorin misst diesem Gedicht eine besondere Bedeutung bei, denn es ist auf der Rückseite des Buches abgedruckt, erscheint in diesem Band also gleich zwei Mal. In drei Strophen mit je drei Versen wird hier eine knappe, äußerst nüchter-ne Bilanz gezogen: Ein lyrisches Ich spricht von seinem Körper wie von einem Gegenstand, der wiedergefunden worden ist.
Dieses lyrische Ich war lange dorthin unterwegs, an einen »Berg heran«, an ei-nen »schwarzen Schmerz« – der in der Körpermitte lokalisiert ist. Der rote Samt, auf dem der Körper gefunden worden ist, eröffnet ganz unterschiedliche Bilder: Samt kann hier für Geborgenheit stehen, aber die Farbe »Rot« lässt auch an Blut denken, und in einem weiteren Schritt ließe sich auch – warum nicht – ein erotisches Erlebnis mit diesem starken Bild verknüpfen.
Quelle der Textprobe
Mehr, Mariella. 1983. »in diesen traum schlendert ein roter findling«, Bern: Zytglogge, S. 22.