Mit dem Gedicht »Erinnerungen eines Jenischen, anni 38« schreibt Romed Mungenast die Geschichte der Jenischen in die große Geschichte der Verfolgung im Nationalsozialismus ein. Der Titel verweist auf 1938, das Jahr des »Anschlusses« Österreichs an das nationalsozialistische »Deutsche Reich«. Jenische wurden während des Nationalsozialismus aufgrund ihrer Lebensweise als sogenannte »Asoziale« verfolgt und waren mit Diskriminierung und Unterdrückung konfrontiert. Durch den Verweis auf die Pferde und Wohnwagen betont der Text die Gemeinsamkeiten mit Roma und Sinti. Die Wahrnehmung von Jenischen als »Fahrende« wird als einer der Gründe für ihre Verfolgung ausgemacht.
Die Frage nach dem Status der Jenischen als verfolgte Gruppe während des Nationalsozialismus ist bis heute umstritten. Sie wurden als Asoziale verfolgt und diskriminiert, galten im Unterschied zu Sinti und Roma jedoch als »Deutsche«, was sie von einer auf ihre »Vernichtung« abzielende Verfolgung bewahrte.
Gleichzeitig wird im Gedicht jedoch auch deutlich, dass die Diskriminierungen und Übergriffe auf Jenische keineswegs nur von staatlicher Seite – von den Gendarmen und Soldaten – ausgingen, sondern auch von den »Bauern und anderen Leuten« mitgetragen und ausgeführt wurden. Bereits der Diebstahl einiger Kartoffeln erscheint als legitime Begründung für die Ermordung einer Person, deren Leben als wenig wertvoll angesehen wurde. Vom Pfarrer ist dabei keine Unterstützung zu erwarten. Sein Kreuz erscheint in Analogie zur Pistole des Gendarmen. Seine Predigt enthält nur leere Worte. Als die Wohnwagen angezündet werden, wendet er den Verfolgten den Rücken zu.
Quelle der Textprobe
Mungenast, Romedius (Hg.) 2001. Jenische Reminiszenzen. Geschichte(n), Gedichte. Landeck: EYE Literaturverlag 2001, S. 142
Weiterführende Literatur
Seifert, Oliver. 2005. Roma und Sinti im Gau Tirol-Vorarlberg. Die »Zigeunerpolitik« von 1938 bis 1945. Innsbruck/Wien/Bozen: Studienverlag, S. 162–166.